Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. PKH-Verfahren. Beendigung. Tod des Klägers. keine ausnahmsweise rückwirkende Bewilligung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Tod eines Klägers beendet ein Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.

 

Orientierungssatz

Auch wenn das angerufene Gericht den - vollständigen und auch sonst ordnungsgemäßen - Prozesskostenhilfeantrag des verstorbenen Verfahrensbeteiligten zögerlich oder nicht ordnungsgemäß bearbeitet hatte, kommt nach Ansicht des Senats keine ausnahmsweise rückwirkende Bewilligung in Betracht, da die Prozesskostenhilfe die zentrale Funktion, der hilfebedürftigen Partei die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu ermöglichen, nicht mehr erreichen könne; sie käme nicht mehr dem gesetzlichen Adressaten zu Gute, sondern den Erben oder dem Rechtsanwalt und würde dadurch ihre gesetzliche Bestimmung verlieren.

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. April 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

1.) Die Beschwerde ist zulässig. Der Tod des im August 2014 verstorbenen bisherigen Klägers hat die seinen anwaltlichen Vertretern erteilte Prozessvollmacht nicht beendet (§ 86 ZPO) und das Prozesskostenhilfeverfahren nicht unterbrochen. Das Verfahren geht ungehindert weiter, wobei an die Stelle des Verstorbenen seine Erben als Gesamtrechtsnachfolger getreten sind.

2.) In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Es besteht kein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren; das Prozesskostenhilfeverfahren ist mit dem Tod des Klägers beendet (vgl. zum Folgenden: OLG Oldenburg, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 8 W 4/10 -, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17. September 2012, 9 ZB 12.744, juris).

Prozesskostenhilfe, für deren Bewilligung es gemäß § 114 ZPO auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antrag stellenden Partei ankommt, ist personengebunden und nicht vererblich. Sie kann deshalb nach allgemeiner Ansicht einem verstorbenen Verfahrensbeteiligten nicht bewilligt werden (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Aufl. 2010, RdNr. 76 m.w.N.). Mit dem Tod erledigt sich mithin das bisherige Bewilligungsverfahren (Stein/Jonas-Bork, ZPO, 22. Aufl., § 114, RdNr. 14; Musielak-Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 119, RdNr. 15 m.w.N.; OLG Frankfurt FamRZ 2007, 1995; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1199). Eine nachträgliche Bewilligung zugunsten der verstorbenen Partei ist ausgeschlossen. Denn maßgebend für die Bewilligung ist stets, ob der Antragsteller der Hilfe - noch - aktuell bedarf (Zöller-Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 114, RdNr. 12). Es ist allerdings umstritten, ob dieser Grundsatz dann eine Ausnahme erfährt und eine rückwirkende Bewilligung in Betracht kommt, wenn das angerufene Gericht den - vollständigen und auch sonst ordnungsgemäßen - Prozesskostenhilfeantrag des verstorbenen Verfahrensbeteiligten zögerlich oder nicht ordnungsgemäß bearbeitet hatte (so: BSG MDR 1988, 610 f.; ThürLSG, Beschluss vom 21.9.2004 - L 6 RJ 964.02, zitiert nach juris; LAG Hamm, Beschluss vom 25.11.2002 - 4 Ta 180/02, zitiert nach juris). Der Senat ist mit dem OLG Oldenburg und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass eine derartige Ausnahme dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe zuwiderlaufen würde und damit nicht in Betracht kommt (so auch: LSG NRW, Beschluss vom 29.02.2008 - L 20 B 9/08 SO, zitiert nach juris; OVG Bautzen NVwZ 2002, 492 (493); OLG Hamm MDR 1977, 409; MünchKomm-Motzer, ZPO, 3. Aufl., § 119, RdNr. 55; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 119, RdNr. 26). Denn die Prozesskostenhilfe kann die zentrale Funktion, der hilfebedürftigen Partei die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu ermöglichen, nicht mehr erreichen; sie käme nicht mehr dem gesetzlichen Adressaten zu Gute, sondern den Erben oder dem Rechtsanwalt und würde dadurch ihre gesetzliche Bestimmung verlieren.

3.) Den unbekannten Erben nach Dr. med. H F bleibt es unbenommen, beim Sozialgericht unter Darlegung ihrer Bedürftigkeit einen neuen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen, sofern sie das vorliegende Verfahren fortsetzen wollen. In diesem Verfahren müssen sie jedoch ihre Bedürftigkeit darlegen und glaubhaft machen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 73a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Absatz 4 ZPO nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.

 

Fundstellen

FamRZ 2016, 250

JurBüro 2015, 316

NZS 2015, 360

AGS 2016, 302

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