Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten. Zulässigkeit der Bewertung angemessener Unterkunftskosten bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts für die Ermittlung einer Referenzmiete. Beschränkung der Zulässigkeit einer Beschwerde im PKH-Verfahren
Orientierungssatz
1. Auch wenn es an einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung eines Referenzwertes für die Kosten der Unterkunft im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende fehlt, sind deshalb die tatsächlich Kosten der Unterkunft einer Bedarfsgemeinschaft nicht in jedem Fall angemessen. Vielmehr hat das Gericht im Streit um die Angemessenheit der Unterkunftskosten in einem solchen Fall für die Entscheidung selbst im Rahmen der Amtsermittlung auf ein schlüssiges Konzept zurück zu greifen.
2. Für das Land Berlin ist im Zeitpunkt der Entscheidung eine Nettokaltmiete von 4,76 EUR pro qm für Wohnungen von 40 qm bis 60 qm im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angemessen.
3. Im Falle der Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Beschwerde nur dann ausgeschlossen, wenn die Ablehnung ausschließlich darauf gestützt wurde, dass die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorliegen.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde der Kläger - der 1960 geborenen, verwitweten Klägerin und des 1957 geborenen, geschiedenen Klägers - ist zulässig; insbesondere ist sie unabhängig vom Beschwerdewert auch nach § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG Beschwerden gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Hauptsacheverfahren nur ausgeschlossen sind, wenn das Sozialgericht (SG) ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat. Eine solche Situation ist aber hier nicht gegeben, weil das SG seine ablehnende Entscheidung (allein) damit begründet hat, das Klageverfahren habe keine Aussicht auf Erfolg. Auch und gerade nach der Änderung des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG mit Wirkung vom 11. August 2010 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05. August 2010 (BGBl I 1127) hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach ein Beschwerdeausschluss auch nicht über eine (entsprechende) Anwendung des § 127 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) begründbar ist (vgl im Übrigen auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - L 25 B 2246/08 AS PKH, juris).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Kläger keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 121 Abs 2 Satz 1 1. Alt ZPO).
Dabei beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig in summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes ohne strenge Anforderungen, dh ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die “reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine “nur entfernte Erfolgschance" (vgl Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, juris RdNr 26 = BVerfGE 81, 347, 357f). Auch bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist in gerichtskostenfreien Verfahren (§ 183 SGG) - wie dem vorliegenden - PKH unbeschränkt zu bewilligen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNr 7a zu § 73a; Knittel in Hennig ua, SGG, RdNr 13 zu § 73a).
An diesen Vorgaben gemessen ist eine hinreichende Erfolgsaussicht der vor dem SG erhobenen Klage nicht gegeben.
Obwohl der bisher gestellte Klageantrag keine Angaben zum streitigen Zeitraum und zur begehrten Leistungshöhe enthält, kann damit - entgegen der vom SG in der angefochtenen Entscheidung hilfsweise angeführten Argumentation - nicht bereits die Unzulässigkeit der Klage und damit die fehlende hinreichende Erfolgsaussicht begründet werden. Zwar soll die Klage gemäß § 92 Abs 1 Satz 3 SGG einen bestimmten Klageantrag enthalten. Ausreichend ist aber - auch wenn die Kläger hier, worauf das SG vornehmlich abgestellt hat, (fach)anwaltlich vertreten werden -, wenn das von den Klägern verfolgte Rechtsschutzziel spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung deutlich wird (Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 77/03 R, juris RdNr 14f = SozR 4-1500 § 92 Nr 2, RdNr 7f; BSG, Urteil vom 28. September 2006 - B 3 KR 20/05 R , juris = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, jeweils RdNr 14; Leitherer, aaO, RdNr 11 zu § 92; Binder in Lüdtke, SGG, 3. Aufl 2009, RdNr 8 zu § 92). Denn nach § 123 SGG entscheidet das Gericht (ohnehin) über...