Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kosten der Unterkunft. Angemessenheit. AV Wohnen. Berliner Mietspiegel 2005. Wohnungsbauförderungsbestimmung. Aufforderung

 

Orientierungssatz

1. Die Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft setzt eine Einzelfallprüfung voraus. Für die Angemessenheit einer Unterkunft ist zunächst deren maßgebliche Größe zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus. Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. Insoweit kommt es letztlich darauf an, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (so genannte Produkttheorie) (Vergleiche BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2).

2. Der räumliche Vergleichsmaßstab für den Wohnungsstandard ist so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (Vergleiche LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Juni 2007 - L 10 B 391/07 AS ER).

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antragstellerin wird für das zweitinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin IJ M B beigeordnet.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde vom 31. Mai 2007 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 14. Mai 2007, mit welchem dieses den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übernahme höherer Kosten für Unterkunft in Höhe von 447,22 € monatlich statt 360,-- € für die Zeit ab 1. Mai 2007 abgelehnt hat, ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (so bereits zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 29.09.2006 - L 19 B 199/06 ASER mit Bezug auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -; Beschluss des Senats vom 21.02.2007 -L 32 B 123/07 AS ER-).

Hier ist nicht nur eine reine Folgenabwägung vorzunehmen. Es fehlt vielmehr an einem Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin wird in der Hauptsache aller Voraussicht nach jedenfalls überwiegend keinen Erfolg haben.

Der Senat verweist hierzu zunächst gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss. Klarzustellen ist insoweit lediglich, dass die Antragstellerin derzeit eine Zweizimmerwohnung bewohnt.

Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer anderen Einschätzung keinen Anlass:

Die Kosten, welche die Antragstellerin für die von ihr zur Zeit bewohnte Wohnung aufzubringen hat, sind nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Hiervon geht auch die Antragstellerin selbst aus. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der vom Antragsgegner angesetzte Betrag von 360 € brutto warm zu gering sein könnte:

Welche Kosten angemessen i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sind, ist nicht in erster Linie anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 07. Juni 2005 (ABl. 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. 2062; im Folgenden: AV Wohnen) zu bestimmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit obliegt im Streitfalle vielmehr den Gerichten; eine Rechtsverordnung zur näheren Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist bisher nicht ergangen. Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; u.a. Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 10/06 R, zitiert nach www.bundessozialgericht.de RdNr 24) eine Einzelfallprüfung voraus. Dabei ist zunächst die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der lande...

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