Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hörgeräte. keine zusprechende Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz. Folgenabwägung
Leitsatz (amtlich)
Zur Entscheidung über die Gewährung von Hörgeräten in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. August 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. August 2014 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat seinen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, mit Hörgeräten “Widex Clear 440„ entsprechend dem Kostenvoranschlag der Firma F & K vom 05. Juli 2012 zu versorgen, im Ergebnis rechtsfehlerfrei abgelehnt.
1.) Ein Anordnungsanspruch lässt sich mit der für das einstweilige Rechtsschutzverfahren erforderlichen Wahrscheinlichkeit derzeit nicht feststellen (vgl. § 86b Abs. 2 Sätze 2 und 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
a) Nach § 33 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).
Da mit den Hörgeräten der Ausgleich der Behinderung erfolgen soll, indem die beim Antragsteller eingeschränkte Hörfähigkeit künstlich verbessert wird, hat die Prüfung des Anspruchs anhand des § 33 Abs. 1 Satz 1, dritte Alternative SGB V zu erfolgen. Im Vordergrund steht daher der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist. Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Juni 2009, B 3 KR 2/08 R juris, dort RdNr. 18 [Badeprothese]; Urteil vom 16. September 2004, B 3 KR 20/04 R, juris, dort RdNr. 12 ff. [C-Leg], Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 9. Senat, Urteil vom 09. März 2011, L 9 KR 152/08, juris; Beschluss vom 13. August 2014, L 9 KR 132/14 B ER, juris).
b) Mit einer stattgebenden Entscheidung des Senats wäre eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache verbunden, weil der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch nicht nur in vollem Umfang erfüllt würde, sondern die einstweilige Versorgung für die Antragsgegnerin auch nicht ohne eine erhebliche Kostenbelastung rückgängig zu machen wäre. Denn die von der Antragsgegnerin zu finanzierenden Hörgeräte könnten im Falle des Unterliegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht mehr für andere Versicherte verwendet werden. Die Antragsgegnerin wäre deshalb in diesem Fall auf den Weg des Schadensersatzes nach § 935 ZPO verwiesen, der bei so teuren Hilfsmitteln wie im vorliegenden Fall (5.670,00 € im Jahre 2013) regelmäßig nur schwer durchzusetzen wäre. Deshalb sind an das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen für den Behinderungsausgleich als Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs im einstweiligen Verfahren die gleichen Anforderungen zu stellen wie für einen Anspruch in einem Hauptsacheverfahren, zumal der Antragsteller bei einer stattgebenden einstweiligen Entscheidung an der Durchführung eines solchen Hauptsacheverfahrens wegen der vollen Vorwegnahme der Hauptsache kein Interesse mehr haben dürfte, so da...