Orientierungssatz

1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, wenn das einstweilige Anordnungs-Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt. Hierzu gehört die Sicherung des Existenzminimums durch Leistungen nach dem SGB 2.

2. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist die Entscheidung anhand der Folgenabwägung zu treffen.

3. Ist die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht endgültig feststellbar, so beschränken sich die durch einstweiligen Rechtsschutz zuzusprechenden Leistungen des SGB 2 auf das unabdingbar Notwendige.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 5. September 2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab Zustellung des Beschlusses bis zum 28. Februar 2007 die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss zu gewähren. Für den Monat Dezember erfolgt die Zahlung anteilig ab dem Tage des Zugangs dieses Beschlusses als Telefax bei der Antragsgegnerin.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die der Antragstellerin in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (Ast) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1956 geborene Ast bezog bis zur Erschöpfung des Anspruches Arbeitslosengeld bis zum 04. März 2006 in Höhe von zuletzt 18,18 Euro täglich. Sie stellte bei der Antragsgegnerin (Ag) einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. In dem Antrag gab sie an, mit ihrer Tochter K (geboren ... 1987), die für ihre Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation Leistungen auf Grund des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Bescheid vom 30. Januar 2006) bezieht, in einem gemeinsamen Haushalt auf dem Grundstück Tstraße (nach Veränderung der Straßenbezeichnung nun Wstraße) in W zu leben. Das über 8.000 qm große Grundstück Tstraße hatte die Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 30. Mai 2002 zu einem Kaufpreis von 93.600,00 Euro gekauft, zahlbar in monatlichen Raten von 650,00 Euro monatlich. Sie erhält jährlich am 15. März die Eigenheimzulage in Höhe von 2.045,00 Euro, die noch bis 2009 gezahlt wird. Bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung gab die Ast folgende Nebenkosten an: Abwasser: 130,00 Euro jährlich, Abfall: 49,38 Euro jährlich Grundgebühr und Entsorgung 30,00 Euro halbjährlich, Gebäudeversicherung 173,39 Euro jährlich und Heizkosten 163,00 Euro monatlich. In der Einkommenserklärung machte die Ast die Kfz-Haftpflichtversicherung für ihren PKW (M Baujahr 1994 mit einem von der Ast geschätzten Wert von 300,00 Euro) geltend in Höhe von 115,22 Euro jährlich. Auf dem Zusatzblatt zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens gab sie einen Schuldenstand von 968,07 Euro auf ihrem Girokonto an.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2006 bat die Ag um verschiedene weitere Unterlagen und um Aufklärung, warum Herr B kostenfrei auf dem Grundstück wohne.

Mit Schreiben vom 03. Juni 2006 teilte Herr Bernd B mit, dass er nicht kostenfrei bei der Ast wohne. Er habe sich im Zeitraum von Mai 2002 bis Dezember 2005 an den Kosten des Grundstücks beteiligt. Sie hätten sich Anfang Januar 2006 getrennt. Er bewohne das kleine Nebengebäude, welches die Ast ihm zum Ausgleich der Kosten unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. In dem in der Anlage beigefügten Auszug aus dem notariellen Kaufvertrag räumen die Vertragsparteien dem dort als Herrn B Bezeichneten ein unentgeltliches Wohnrecht ein.

Am 06. Juli 2006 hat sich die Ast beim Sozialgericht (SG) Potsdam um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und zunächst Regelleistungen, den befristeten Zuschlag und die Kosten der Unterkunft rückwirkend seit dem 05. März 2006 begehrt und hierfür die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die Ag bescheide den Antrag nicht. Sie lebe von 154,00 Euro Kindergeld und einer Unterstützung durch die Tochter iHv 50,00 Euro. Der Stromversorger drohe mit der Kappung des Anschlusses. Weiter offen seien Abwasser und Heizkostenrechnungen und eine Krankenhausrechnung in Höhe von 1.482,57 Euro (stationärer Aufenthalt vom 20. 23. März 2006) für eine Behandlung, da sie keine Krankenversicherung mehr besitze. Sie habe keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Sie erziele kein Mietentgelt von Herrn B. Das Grundstück könne nicht geteilt und verkauft werden, da sie nicht Eigentümerin des Grundstückes sei. Für sie sei nur eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Nach Hinweis des Gerichts hat sie eine rückwirkende Gewährung nicht mehr begehrt.

Bei einer Ortsbesichtigung, die der Außendienst der Ag am 27. Juli 2006 durchgeführt hat, wurde die Ast nicht angetroffen. Daraufhin hat die Ag erklärt, dass das Ergebnis der Ortsbesichtigung gegen eine Trennung der ...

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