Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Leistung des SGB 2 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

 

Orientierungssatz

1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist anhand der Folgenabwägung zu entscheiden, wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist.

2. Steht nicht mit der für eine Entscheidung in der Hauptsache erforderlichen Eindeutigkeit fest, ob tatsächlich eine eheähnliche Gemeinschaft oder nur eine Wohngemeinschaft besteht, so ist es zulässig, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung 80 % der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache zu bewilligen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 24. Januar 2006 wird als unzulässig verworfen, soweit sie darin zur Gewährung von Leistungen für den Zeitraum vom 01. Dezember 2005 bis zum 31. März 2006 verpflichtet worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, der Antragstellerin Arbeitslosengeld II vorläufig in Höhe von 254, 66 Euro monatlich bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30. Juni 2006 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Antrag der Antragstellerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin M. zu gewähren, wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob das Sozialgericht (SG) Potsdam die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden Antragsgegnerin) zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden Antragsstellerin) “ab dem 1.12.2005 80% der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Maßgabe der Vorschriften des SGB II bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten, zu gewähren„.

Die am 1952 geborene und geschiedene Antragstellerin lebt seit 1992 in einer aus drei Zimmern, Küche und Bad bestehenden 61,88 qm großen Wohnung (333,93 Euro Warmmiete) in der Stadt B, die außer ihr ihr am ... 1987 geborener und in Ausbildung stehender Sohn R S und der am ... 1954 geborene, ebenfalls geschiedene K G (KG) bewohnen, der eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von 693,51 Euro netto bezieht. Bevor KG die Antragstellerin in diese Wohnung aufgenommen hatte, war er alleiniger Hauptmieter dieser Wohnung, seit dem 1. April 1993 ist die Antragstellerin in den Mietvertrag als weitere Hauptmieterin aufgenommen worden. Zudem ist sie, die für ihren Sohn Kindergeld von 154 Euro monatlich erhält und bis zum 28. Februar 2005 eine Erziehungsrente bezogen hatte, zusammen mit KG auch Pächterin eines Kleingartengrundstückes.

Nachdem die Antragstellerin im Dezember 2004 Arbeitslosengeld II beantragt und in der entsprechenden Formblattrubrik durch Ankreuzen angegeben hatte, sie lebe mit KG in eheähnlicher Gemeinschaft, und frei formuliert auf die Frage nach dem “Verwandtschaftsverhältnis„ zu KG “Lebenspartner„ geantwortet hatte, bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 7. März 2005 der Antragstellerin für die Zeit vom 1. März 2005 bis zum 30. Juni 2005 Alg II von 31,12 Euro monatlich. Dabei ging die Antragsgegnerin davon aus, die Antragstellerin und KG bildeten eine Bedarfsgemeinschaft, deren Gesamtbedarf (einschließlich Unterkunftskosten) 818,62 Euro betrage. Demgegenüber betrage das Gesamteinkommen 787,51 Euro (Einkommen der Antragstellerin ≪154 Euro Kindergeld für den Sohn abzüglich 30 Euro pauschaler Abzug für private Versicherungsbeiträge≫ und Einkommen des KG ≪693,51 Euro Erwerbsunfähigkeitsrente abzüglich 30 Euro pauschaler Abzug für private Versicherungsbeiträge≫).

In dem hiergegen erhobenen Widerspruch trug die Antragstellerin vor, mit KG in keiner eheähnlichen Gemeinschaft zu leben, da sie Miete, Strom und Nebenkosten an KG zahle. Sie leide unter einer chronischen Krankheit und wisse nicht, wie sie die notwendigen Medikamente von der ihr bewilligten Leistung noch bezahlen solle.

Am 5. April 2005 wurde die Antragstellerin in ihrer Wohnung von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin aufgesucht. Er bezeichnete den Besuch in seinem Vermerk vom 6. April 2005 als unangemeldet. In diesem Vermerk legte er ausführlich seine Erkenntnisse über die Wohnverhältnisse der Antragstellerin dar; hinsichtlich der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.

Daraufhin wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück.

Auf den von der Antragstellerin im Mai 2005 mit Wirkung ab dem 1. Juli 2005 gestellten Fortzahlungsantrag, in dem sie nunmehr angab, seit 1991 allein stehend zu sein, gewährte ihr die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28. Juni 2005 für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 weiterhin Arbeitslosengeld II von 31,12 Euro monatlich, dessen Berechnung dieselben Modalitäten zugrunde lagen wie zuvor. Den gegen die Höhe des Anspruches erhobenen Widerspruch verwarf die Antragsgegnerin...

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