Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Leistungsausschlüsse nach dem SGB 2 bzw. SGB 12 für Ausländer
Orientierungssatz
1. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB 12 erhalten Ausländer keine Leistungen nach Abs. 1 oder nach dem 4. Kapitel, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
2. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 sind Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, von Leistungen des SGB 2 ausgenommen.
3. Die Leistungsausschlüsse nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB 12 bzw. nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 sind verfassungsgemäß.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt M S, M, B, beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ab dem 7. Dezember 2016.
Die im Jahr 1960 geborene Antragstellerin ist lettische Staatsangehörige. Sie reiste im Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebt seitdem hier.
Im September 2013 meldete die Antragstellerin ein Gewerbe im Bereich Gebäudereinigung an. Tatsächlich übte sie eine Tätigkeit als Reinigungskraft vom 3. November 2013 bis zum 31. August 2014 aus und bezog nebenher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Ende September 2014 meldete sie das Gewerbe wieder ab.
Im Juli 2015 kam es nochmals zu einem Zahlungseingang auf dem Konto der Antragstellerin in Höhe von 422,- Euro wegen “Rech. Nr. […] 2015„. Die Antragstellerin erklärte dem Beigeladenen auf Nachfrage, dass es sich hierbei um die letzte Einnahme aus ihrer gewerblichen Tätigkeit handle (Schreiben vom 12. Mai 2016).
Zuletzt bewilligte das beigeladene Jobcenter der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum bis einschließlich November 2016. Nachdem die Antragstellerin einer Aufforderung des Beigeladenen zur Vorlage bestimmter Unterlagen (u. a.: Nachweis über Daueraufenthaltsrecht) nicht nachgekommen war, entzog der Beigeladene die Leistungen zum 1. Juli 2016 (Bescheid vom 13. Juli 2016).
Am 27. Oktober 2016 stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Antrag auf Sozialhilfe.
Mit Bescheid vom 7. November 2016 lehnte der Antragsgegner es ab, der Antragstellerin Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu gewähren. Als Erwerbsfähige sei die Antragstellerin dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Nach § 21 Satz 1 SGB XII sei damit die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Dies gelte auch, wenn der individuelle Leistungsanspruch nach dem SGB II aus anderen rechtlichen Gründen wie z. B. nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Das Widerspruchverfahren ist noch anhängig.
Ende November 2016 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis über die Wohnung der Antragstellerin unter der im Rubrum genannten Anschrift fristlos wegen Zahlungsrückständen in Höhe von 1.493,10 Euro (Mietzins für Juli bis November 2016). Die Antragstellerin hat mittlerweile beim Antragsgegner die Übernahme der Mietschulden beantragt.
Am 7. Dezember 2016 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht, gerichtet auf die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII einschließlich der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung und der Krankenversicherungsbeiträge ab Antragseingang.
Nachdem am 29. Dezember 2016 das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) - BGBl. I S. 3155 - in Kraft getreten war, hat der Antragsgegner der Antragstellerin angeboten, ihr Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 und Satz 5 SGB XII zu gewähren sowie ggf. die Kosten der Rückreise nach § 23 Abs. 3a SGB XII zu übernehmen. Die Antragstellerin hat auf dieses Angebot nicht reagiert.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2017 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht gegeben. Für den Zeitraum ab dem 29. Dezember 2016 habe die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch gegen den Antragsgegner bzw. gegen den Beigeladenen auf Leistungen nach dem SGB XII bzw. nach dem SGB II scheitere an den in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr....