Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Anwendbarkeit der 4-Jahresfrist des § 44 Abs 4 SGB X. Ermittlung des Bemessungsentgeltes nach §§ 111, 112 AFG
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X stellt eine von Amts wegen zu beachtende einzelanspruchsvernichtende Einwendung dar, die immer dann anwendbar ist, wenn ein rechtswidrig nicht begünstigender Verwaltungsakt mit Rückwirkung für mehr als vier Jahre - weil sonst die Bindungswirkung des alten Verwaltungsaktes ohnehin entgegenstünde - nach § 44 Abs. 1 oder 2 SGB X aufgehoben worden ist ( vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003 - B 4 RA 38/02 R).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, besteht der Grundgedanke des § 112 Abs. 7 Alternative 1 AFG darin, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitslose gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum, dessen Lohnbedingungen die Faktoren des Bemessungsentgelts im Sinne der Regelbemessung nach § 112 Abs. 1 - 6 AFG zu entnehmen sind, ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es den beitragspflichtigen Tätigkeiten entspricht, die der Arbeitslose überwiegend ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 3- 4100 § 44 Nr. 11 mit weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 25. Juni 1999 - B 7 AL 64/98 R - veröffentlicht in juris). Eine Tätigkeit ist danach im Sinne von § 112 Abs. 7 AFG schon dann überwiegend ausgeübt, wenn sie einen längeren Zeitraum als die anderen in den drei Jahren verrichteten Tätigkeiten bzw. Berufsphasen umfasst (vgl. BSG aaO).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Verfahren erster Instanz. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) höhere Unterhaltsgeld- (Uhg) bzw. Arbeitslosengeld- (Alg) Leistungen für die Zeit vom 03. Juli 1991 bis zum 01. April 1993, vom 01. Juli 1995 bis zum 29. Februar 1996 und vom 16. Mai 1998 bis zum 31. Mai 1999.
Der am 1938 geborene Kläger war seit dem 01. Dezember 1971 im diplomatischen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) beschäftigt, zuletzt als Botschaftsrat in Peru. Vom 03. Oktober 1990 bis zum 02. Juli 1991 bezog er Wartestandsgeld nach einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 2.133,33 DM. Vom 02. April 1991 bis zum 31. März 1993 absolvierte der Kläger einen von der Beklagten geförderten Lehrgang zum Gerontotherapeuten mit familientherapeutischer Kompetenz; die Beklagte bewilligte ihm für die Zeit vom 03. Juli 1991 bis zum 01. April 1993 Uhg nach einem gerundeten wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelt vom 490,- DM, für die Zeit ab dem 03. Januar 1992 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 560,- DM, für die Zeit ab dem 03. Juli 1992 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 640,- DM und für die Zeit ab dem 4. Januar 1993 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 690,- DM (Bewilligungsbescheid vom 24. Juli 1991).
Nach Abschluss des Lehrgangs war der Kläger vom 02. April 1993 bis zum 31. Dezember 1993 als Altenpfleger bei der Gemeindeverwaltung Hohen Neuendorf (durchschnittliches wöchentliches Bruttoentgelt = 756,23 DM) und vom 01. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1995 als Pflegehelfer bei der Sankt Elisabeth-Stiftung beschäftigt (durchschnittlicher Bruttoverdienst = 666,39 DM wöchentlich). Für die Zeit vom 01. Juli 1995 bis zum 29. Februar 1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg unter Zugrundelegung eines wöchentlichen gerundeten Bemessungsentgelts von 660,- DM (Bescheide vom 28. Juli 1995 und 10. Januar 1996). Vom 01. März 1996 bis zum 15. Mai 1998 war der Kläger erneut als Betreuer bzw. Pfleger in einem Privathaushalt beschäftigt (durchschnittlicher Bruttoverdienst = 692,31 DM wöchentlich). Vom 16. Mai 1998 bis zum 31. Mai 1999 stand er erneut im Alg-Bezug, und zwar nach einem wöchentlich gerundeten Bemessungsentgelt in Höhe von 740,- DM bzw. - für die Zeit ab 16. Mai 1999 - von 760,- DM.
Im November 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung sämtlicher Alg- bzw. Uhg-Bewilligungs- und Änderungsbescheide für die Zeit ab 03. Juli 1991. Mit Bescheid vom 04. Januar 2002 lehnte die Beklagte eine Rücknahme bzw. Änderung ihres Uhg-Bewilligungsbescheides vom 24. Juli 1991 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück mit der Begründung, dass sämtliche Bewilligungsbescheide für die Zeit ab 03. Juli 1991 überprüft worden, jedoch nicht zu beanstanden seien.
Im Klageverfahren hat die Beklagte mit fünf Änderungsbescheiden vom 22. Januar 2004 den Alg-Bewilligungen für die Zeit vom 01. Juli 1995 bis 29. Februar 1996 und für die Zeit vom 16. Mai 1998 bis zum 31. Mai 1999 aufgrund...