Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. zulassungsfreie Berufung. Berufungssumme. Wert des Beschwerdegegenstandes. aufhebender Verwaltungsakt und der damit korrespondierende, eine Erstattung verfügende Verwaltungsakt betreffend jeweils einen auf Geldleistung "gerichteten Verwaltungsakt". wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Aufhebung betrifft Zeitraum von mehr als einem Jahr. "Durchschlagen" auf die verfügte Erstattungsforderung, unrichtiger Ausspruch über Nichtzulassung der Berufung. keine konstitutive Wirkung. Nichtzulassungsbeschwerde. Rechtsschutzbedürfnis für Aufhebung der unrichtigen Nichtzulassungsentscheidung. keine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens als Berufungsverfahren, keine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung, außergerichtliche Kosten, Kostentragung. Notwendigkeit der Zulassung der Berufung

 

Orientierungssatz

1. Die Notwendigkeit der Zulassung der Berufung besteht dann nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

2. Die - in der unzutreffenden Annahme der Zulassungsbedürftigkeit - ausdrücklich nicht zugelassene Berufung und die Erteilung einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung beinhalten keine Nichtzulassungsentscheidung in dem Sinne, dass der Klägerin der vom Gesetz gewiesene Weg der unbeschränkten, zulassungsfreien Berufung verwehrt wird oder verwehrt werden könnte.  Konstitutive Bedeutung hat - wie sich aus der Regelung des § 144 Abs. 3 SGG zweifelsfrei ergibt - nur die (“positive„) Zulassung durch das Sozialgericht.

3. Eine Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung scheidet aus, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde eindeutig eingelegt wurde und das zulässige Rechtsmittel keine Erwähnung gefunden hat.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2009 aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet; sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Potsdam über die Nichtzulassung der Berufung. Denn die Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des SG bedarf nicht der Zulassung (§ 143 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Zwar ist grundsätzlich die Zulassung in Fällen der vorliegenden Art (sowohl die hier streitige Aufhebung als auch die streitige Erstattungsforderung betreffen einen auf eine Geldleistung “gerichteten Verwaltungsakt„; vgl hierzu Bundessozialgericht ≪BSG≫, Beschluss vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 177/05 B, juris = SozR 4-1500 § 144 Nr 3, jeweils RdNr 6) nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl I 444), die ohne Übergangsregelung zum 01. April 2008 eingeführt worden ist (vgl Art 5 des SGGArbGGÄndG), erforderlich, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Auch beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes (zum Begriff vgl Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, RdNr 14 zu § 144 mwN) hier nur 649,72 EUR, so dass der bezeichnete Schwellenwert nicht überschritten wird. Die Zulassungsnotwendigkeit besteht aber nach § 144 Abs 1 Satz 2 SGG dann nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Dieser Ausnahmefall, den das SG offenbar übersehen hat, liegt hier vor. Denn die im angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 12. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2007 verfügte Teilaufhebung betrifft den Leistungszeitraum vom 10. März 2005 bis zum 31. Oktober 2006. Dies schlägt auf die im vorgenannten Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verfügte Erstattungsforderung durch, denn maßgeblich ist im vorliegenden Zusammenhang allein, für welchen Zeitraum ein wirtschaftlicher Ausgleich geschaffen werden soll (Bernsdorff in Hennig, SGG, Stand April 1996, RdNr 38 zu § 144 und Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, RdNr 12 zu § 144).

Da die Berufung bereits kraft Gesetzes statthaft ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senats über deren Zulassung, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin erfolglos bleiben muss, soweit sie hierauf gerichtet ist. Dies ist auch nicht etwa deshalb anders zu beurteilen, weil das SG - in der unzutreffenden Annahme der Zulassungsbedürftigkeit - die Berufung ausdrücklich nicht zugelassen hat und eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Es liegt auf der Hand, dass darin keine Nichtzulassungsentscheidung in dem Sinne liegt, dass der Klägerin der vom Gesetz gewiesene Weg der unbeschränkten, zulassungsfreien Berufung verwehrt wird oder verwehrt werden könnte. Konstitutive Bedeutung hat - wie sich aus der Regelung des § 144 Abs 3 SGG zweifelsfrei ergibt - nur die (“positive„) Zulassung du...

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