Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an Vortrag

 

Tenor

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 9. Juni 2017 im Berufungsverfahren zum Aktenzeichen L 23 SO 18/17 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Anhörungsrüge des Klägers (§ 178a Sozialgerichtsgesetz - SGG) gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren ablehnenden Beschluss des Senats ist statthaft (zur Statthaftigkeit von Anhörungsrügen im Prozesskostenhilfeverfahren vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 178a, Rn. 3; Hintz in: Hintz/Lowe, SGG, § 178a, Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg v. 29.10.2010 - L 20 AS 1711/10 B RG - juris), jedoch unzulässig und war daher zu verwerfen.

Nach § 178 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist auf Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen muss vom Beschwerdeführer dargelegt werden, nämlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie die Entscheidungserheblichkeit. Ein gerügter Gehörverstoß erfordert den Vortrag, welchen erheblichen Vortrag das Gericht nicht zur Kenntnis genommen hat oder welches Vorbringen von ihm verhindert worden ist und inwiefern die Entscheidung darauf beruhen kann (BSG, Beschluss vom 18. Februar 1980, 10 Bv 109/79, SozR 1500, § 160 a Nr. 36; Urteil vom 16. Oktober 1991, 11 RAR 23/91, BSGE 69, 280). Eine solche Darlegung ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Zu fordern ist ein substantiierter Vortrag dahin, in welcher Weise das rechtliche Gehör verletzt worden sein soll und weshalb ohne eine solche Verletzung eine günstigere Entscheidung ergehen könnte (Leitherer, a.a.O., Rn. 6b). Für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit reicht es nicht, dass die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung angezweifelt wird (VGH München v. 27.01.2011 - Vf. 140-VI-09 - BayVBl. 2011, 724).

Mit dem Rügeschriftsatz führt der Kläger umfangreich aus, aus welchen Gründen die Entscheidung des Senats im Prozesskostenhilfeverfahren nach seiner Auffassung fehlerhaft sei. Mit diesem Vortrag wird nicht eine Gehörsverletzung dargelegt. Soweit der Kläger insoweit einzig ansatzweise anführt, “zu rügen wäre das Fehlen eines richterlichen Hinweises„, soweit der Senat die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung mit dem angefochten Beschluss darauf habe stützen wollen, dass die für die Berufung entscheidungserhebliche Rechtsfrage bereits durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 8. Februar 2017 (B 14 AS 10/16 R) geklärt sei, damit er, der Kläger zu etwaig bestehenden Unterschieden zwischen der Entscheidung des Bundessozialgerichts und der erst noch vom Senat zu treffenden Entscheidung hätte Stellung nehmen können, ist damit eine Gehörsverletzung gerade nicht dargelegt. Hypothetische Annahmen dahin, was dem Senat oblegen hätte, wenn er von einer bestimmten Rechtsansicht ausgegangen wäre, sind schon im Ansatz nicht geeignet, einen tatsächlichen Gehörsverstoß darzulegen. Dies folgt schon daraus, dass ein tatsächlicher Verstoß des Gerichts sowie die Entscheidungserheblichkeit dargelegt werden muss. Die angeführten Ausführungen des Klägers sind offenbar nicht ohne Grund im Konjunktiv gefasst, da der Kläger wohl der Entscheidung des Senats nicht hat entnehmen können, dass die angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts entscheidungserheblich gewesen ist. Der Kläger geht im Übrigen - worauf es vorliegend jedoch mangels Zulässigkeit der Rüge nicht ankommen - zu Unrecht von einer Verpflichtung des Gerichts aus, die Beteiligten vorab auf die von ihm beabsichtigte Würdigung des vorliegenden Tatsachenmaterials hinzuweisen. Ebenso wie Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verlangt, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist (vgl. BVerfGE 74, 1 ≪6≫) und ihm auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen ist (vgl. BVerfGE 66, 116 ≪147≫), ist das Gericht nicht verpflichtet, vorab die Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts darzulegen. Da schon keine Pflicht des Gerichts besteht, vor einer Entscheidung die Beteiligten auf seine eigene Rechtsauffassung hinzuweisen, besteht auch keine Verpflichtung, Beteiligte auf andere Rechtsmeinungen hinzuweisen, die bei der Rechtsfindung Berücksichtigung finden könnten.Im Kern begehrt der Kläger mit der Anhörungsrüge die Fortführung des Verfahrens, mit dem Ziel des Erlasses einer für ihn günstigeren Entscheidung. Dies entspricht jedoch nicht dem Zweck der Anhörungsrüge. Sie dient nicht der Fortführung des Verfahrens, sondern der Überprüfung des verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. Beschluss des Bundessozia...

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