Berliner Zweckentfremdungsverbot gilt auch rückwirkend

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat in einem jahrelangen Rechtsstreit entschieden: Auch Wohnungen, die vor dem Verbot 2014 zweckentfremdet wurden, sind davon erfasst. Ob das Berliner Gesetz verfassungskonform ist, bleibt weiter offen.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat das Urteil bereits am 28.9.2023 gefällt. Dem prozessbeteiligten Bezirksamt Berlin-Mitte wurde das Ergebnis aber erst im Februar 2024 mitgeteilt. "Damit ist endlich Rechtsklarheit geschaffen, um illegale Ferienwohnungen wieder in dringend benötigte Mietwohnungen umzuwandeln", informierte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) am 16.2.2024 die Öffentlichkeit.

Grundsätzlich wurde mit dem Urteil klargestellt, dass Eigentümer auch rückwirkend belangt werden können, sollten sie Wohnraum vor Inkrafttreten des Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG) in Ferienwohnungen umgewandelt und sich bislang auf verfassungs- und baurechtlichen Bestands- und Vertrauensschutz berufen haben.

(Aktenzeichen: OVG 5 B 5/22 u.a.)

OVG: Zweckentfremdungsverbot-Gesetz rückwirkend tauglich

Im konkreten Fall ging es um ein Apartmenthaus mit 37 Wohnungen, für das die Eigentümerin ein sogenanntes Negativattest vom Bezirksamt Mitte eingefordert hatte, das bestätigen sollte, dass keine Zweckentfremdung im Sinne Verbots vorliegt.

Das Bezirksamt Mitte hingegen war der Auffassung, dass es sich bei den Ferienapartments um Wohnungen handele, die als schützenswerter Wohnraum unter das ZwVbG fielen und lehnte die Erteilung eines Negativattestes ab. Eine Nutzung als Ferienapartment bedürfe nach Ablauf der gesetzlichen Übergangsfrist einer Genehmigung durch das Bezirksamt.

Das OVG Berlin-Brandenburg hat die Berufung zurückgewiesen und klargestellt, dass die Nutzung als Ferienwohnung bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes baurechtlich unzulässig war, da es sich um eine gewerbliche Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet handele. Auch könne sich die Klägerin nicht auf einen dauerhaften Bestandsschutz berufen. Das Gericht stellte fest, dass Wohnen und die Vermietung als Ferienwohnung zwei eigenständige genehmigungspflichtige Nutzungsarten seien.

Das Gesetz ist nach Ansicht des OVG angesichts der Wohnraummangellage auch für solche Fälle eine taugliche Grundlage. Es verstößt nicht gegen die im Grundgesetz verbriefte Freiheit des Eigentums, die Berufsfreiheit oder das allgemeine Vertrauensschutzgebot.

Zweckentfremdungsverbot in Berlin: BVerfG äußert sich nicht

Ob das ZwVbG verfassungskonform ist, bleibt auch nach einer Anfrage des OVG Berlin-Brandenburg beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ungeklärt. Die Verfassungsrichter befanden die entsprechenden Vorlagen für unzulässig, wie im Juni 2022 bekannt wurde. Nach Auffassung der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat das OVG "weder seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschrift noch die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage hinreichend dargelegt" (Beschluss v. 29.4.2022, 1 BvL 2/17).

Das ZwVbG stellt die Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnung grundsätzlich unter den Vorbehalt einer Genehmigung. Das OVG hatte sich im Jahr 2017 mit der Frage an das BVerfG gewandt, ob das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum auch rückwirkend gelten darf – also für Ferienwohnungen, die es vor Inkrafttreten des Gesetzes Ende 2013 und einer Verordnung zur Anwendung des Gesetzes von Mai 2014 schon gab.

Wegen der Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG) setzte das OVG zahlreiche Berufungsverfahren von Eigentümern aus. Konkret ging es um einen möglichen Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 I GG), die das OVG laut BVerfG nicht ausreichend dargelegt hat.

Laut BVerfG hat das OVG auch nicht deutlich gemacht, warum sie zu unterschiedlichen Entscheidungen kämen, wenn das Gesetz entweder verfassungskonform oder verfassungswidrig wäre. Beispielsweise hätten sie sich nicht dazu geäußert, ob die betroffenen Wohnungen baurechtlich vor Inkrafttreten des Gesetzes überhaupt als Ferienwohnung hätten vermietet werden dürfen.

BVerfG wies ZwVbG-Klage zurück an das OVG Berlin

Das OVG Berlin-Brandenburg war der Auffassung, das Zweckentfremdungsverbot sei rechtmäßig, soweit es sich auf bestehenden Wohnraum beziehe. Eine Rückwirkung auf Räume, die als Ferienwohnung genutzt wurden, ginge aber über den Schutz des Wohnraumbestandes hinaus und greife unverhältnismäßig in die Grundrechte von Eigentümern und Vermietern ein.

Die besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung rechtfertige es nicht, Eigentümer zu zwingen, gewerblich genutzte Räumlichkeiten in Wohnraum (zurück) zu verwandeln. Die vom Gesetz eingeräumte Übergangsfrist von zwei Jahren für die Vermieter von Ferienwohnungen und die Möglichkeit, eine Genehmigung zu beantragen, könnten die Rechtsbeeinträchtigungen, die mit dem Zweckentfremdungsverbot verbunden seien, nicht kompensieren.

Die Kläger waren Eigentümer oder Mieter von Wohnungen, die schon vor dem Verbot als Domizil für Feriengäste angeboten wurden – und weiter genutzt werden sollten.

(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse v. 6.4.2017, OVG 5 B 14.16 u.a.) 

Berliner Zweckentfremdungsverbot: Hintergründe

Im Dezember 2013 trat das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG) in Kraft, mit dem die zweckfremde Nutzung von Wohnraum unter Genehmigungsvorbehalt gestellt wurde (§ 1 Abs. 1 ZwVbG). In § 1 Absatz 2 ZwVbG ist festgelegt, dass durch eine Rechtsverordnung festzustellen ist, ob und wo in Berlin das Gesetz konkret zur Anwendung gelangt. Am 1.5.2014 trat diese Verordnung in Kraft: Seitdem bedarf die Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken im gesamten Stadtgebiet einer Genehmigung der Bezirksämter.

Geändert wurde das ZwVbG 2013 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes vom 22.3.2016, und 2018 verschärfte der Senat das Gesetz noch: Seither brauchen auch die Anbieter zumindest eine Registriernummer, die nur ein Zimmer an Touristen untervermieten wollen. Eine darüber hinausgehende Genehmigung benötigen sie dann, wenn das Zimmer mindestens halb so groß ist wie die gesamte Wohnung.

Die Anbieter müssen die Registriernummer im Angebot etwa bei der Vermittlungsplattform Airbnb öffentlich machen. Aus Sicht der Bezirke funktionierte das lange nur unzureichend. Sie warfen den Onlineportalen vor, die Angebote auch ohne die Angabe der Nummer zu veröffentlichen. Das Berliner Verwaltungsgericht (VG) entschied im Juni 2021, dass Airbnb die Daten privater Vermieter an Behörden herausgeben muss – wenn es den Anfangsverdacht einer Zweckentfremdung gibt.


Das könnte Sie auch interessieren:

Airbnb in Berlin zwingt zur Registriernummer in allen Inseraten

Vorkaufsrecht: Bundesverwaltungsgericht setzt Berlin Grenzen

dpa