Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Anfall einer fiktiven Terminsgebühr bei schriftlich angenommenem Vergleich. Voraussetzungen nach dem KostRMoG 2

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nummern 3104 Nr 1 Alternative 2, 3106 S 1 Nr 1 Alternative 2 VV RVG (juris: RVG-VV) setzen nicht voraus, dass ein schriftlich angenommener Vergleich auf einem in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts beruht (§ 101 Abs 1 S 2 SGG, § 106 S 2 VwGO) oder dass das Zustandekommen und der Inhalt des schriftlich angenommenen Vergleichs durch Beschluss des Gerichts festgestellt wurde (§ 202 S 1 SGG in Verbindung mit § 278 Abs 6 S 1 Alternative 1, S 2 ZPO).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2017 aufgehoben. Die Erinnerung des Antragsgegners gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Vergütungsanspruchs eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts in Streit.

Der als Rechtsanwalt zugelassene Antragsteller erhob mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 im Namen des von ihm bereits im Widerspruchsverfahren vertretenen Herrn S P eine gegen das Jobcenter B P gerichtete Klage ().

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2016 bewilligte das Sozialgericht Herrn P (unter Beiordnung des Antragstellers) Prozesskostenhilfe.

Mit (formlosem) Schreiben vom selben Tag unterbreitete es dem Antragsteller und dem Jobcenter B P einen Vergleichsvorschlag, der vorsah, dass das Jobcenter B P “63 % der außergerichtlichen Kosten„ des Herrn P zu tragen habe und dass der “Rechtsstreit vollumfänglich erledigt„ sei.

Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2017 stimmte der Antragsteller, mit Schriftsatz vom 24. Januar 2017 stimmte das Jobcenter B P dem Vergleichsvorschlag zu.

Am 20. Februar 2017 stellte der Antragsteller den Antrag, die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 239,90 € festzusetzen (63 vom Hundert einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ___AMPX_)_SEMIKOLONX___Xim Folgenden: VV RVG___AMPX_(_SEMIKOLONX___X in Höhe von 300,00 € ___AMPX_)_SEMIKOLONX___X300,00 € x 63/100 = 189,00 €___AMPX_(_SEMIKOLONX___X, zuzüglich 20,00 € als Post-/Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG und 38,30 € als Umsatzsteuern gemäß Nr. 7008 VV RVG).

Am selben Tag stellte er ferner den Antrag, die ihm aus der Landeskasse für das unter dem Aktenzeichen registrierte Verfahren zu zahlende Vergütung wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr

Nr. 3102 VV RVG

300,00 €

- 50 % Geschäftsgebühr Vorverfahren

Einigungsgebühr

Terminsgebühr

Post-/Telekommunikationspauschale

Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG

Nr. 1000, 1006 VV RVG

Nr. 3106 VV RVG

Nr. 7002 VV RVG

- 94,50 €

300,00 €

270,00 €

20,00 €

Zwischensumme

795,50 €

Umsatzsteuer

Nr. 7008 VV RVG

151,15 €

Gesamtbetrag

946,65 €

Mit Beschluss vom 16. März 2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berlin die Vergütung des Antragstellers für das unter dem Aktenzeichen registrierte Verfahren auf 946,65 € fest.

Am 1. August 2017 hat der Antragsgegner Erinnerung eingelegt. Ein “schriftlicher Vergleich„ im Sinne der Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 VV RVG sei nur ein gerichtlicher Vergleich nach § 101 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 278 Abs. 6 Satz 1 Alternative 2, Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Vergütung, die der Antragsteller für das unter dem Aktenzeichen registrierte Verfahren beanspruchen könne, sei daher wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr

Nr. 3102 VV RVG

300,00 €

- 50 % Geschäftsgebühr Vorverfahren

Einigungsgebühr

Post-/Telekommunikationspauschale

Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG

Nr. 1000, 1006 VV RVG

Nr. 7002 VV RVG

- 94,50 €

300,00 €

20,00 €

Zwischensumme

525,50 €

Umsatzsteuer

Nr. 7008 VV RVG

99,85 €

Gesamtbetrag

625,35 €

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 hat das Sozialgericht der Erinnerung stattgegeben.

Gegen den ihm am 23. Oktober 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 2. November 2017 Beschwerde eingelegt.

II.

Die Beschwerde - über die aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 20. Juli 2018 der Senat (ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter) entscheidet (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 bis 3 RVG) - ist zulässig (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 1, 3, Abs. 7 Satz 3 RVG in Verbindung mit § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG) und begründet. Die Erinnerung des Antragsgegners ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Eine Terminsgebühr ist entstanden. Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG bestimmt:

“Die Terminsgebühr entsteht sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Sie entsteht jedoch nicht für die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins nur zur Verkündung einer Entscheid...

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