Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. angemessene Unterkunft. Heimunterbringung eines Ehegatten. kein Getrenntleben. Bedarfsgemeinschaft bei gespaltener Leistungsträgerschaft. Bedarfsermittlung. verfassungskonforme Auslegung. einstweiliger Rechtsschutz. Schenkungsrückforderung. Anforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Angemessene Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB 2 können Kosten für zwei Unterkünfte sein.

2. Angemessene Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB 2 sind bei notwendigem Heimaufenthalt alle nach dem Heimvertrag geschuldeten Beträge, wenn dieser ein einheitliches Gesamtentgelt vorsieht.

 

Orientierungssatz

1. Eine dauerhaft erforderliche Heimunterbringung eines Ehegatten stellt für sich allein noch kein Getrenntleben dar (vgl LSG Essen vom 8.8.2007 - L 8 LW 5/07). Vielmehr muss zusätzlich ein Trennungswille (unmissverständlich) erkennbar sein.

2. Der zu ermittelnde Grundsicherungsbedarf für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist den einschlägigen Regelungen der §§ 19ff SGB 2 zu entnehmen, und zwar auch dann, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vom Leistungsbezug nach dem SGB 2 ausgeschlossen ist (hier: Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 SGB 2) (vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R).

3. Ist ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht leistungsberechtigt nach dem SGB 2, ist § 9 Abs 2 S 3 SGB 2 einschränkend dahingehend auszulegen, dass als Gesamtbedarf nur der Bedarf der hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzusehen ist. Diesem Gesamtbedarf ist das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenüberzustellen, das sich nach Abzug des eigenen Bedarfs des nicht hilfebedürftigen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft ergibt (Anschluss an BSG, aaO).

4. Leben Kinder bei beiden getrennt lebenden Eltern und besteht insoweit eine doppelte Bedarfsgemeinschaft, so besteht für die Kinder ein Unterkunftsbedarf in zwei Wohnungen (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 1).

5. Bei der Angemessenheit einer Unterkunft sind auch Pflegekinder zu berücksichtigen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören (vgl BSG vom 29.3.2007 - B 7b AS 12/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 3).

6. Bei dem sogenannten betreuten Wohnen zählt zu den angemessenen Unterkunftskosten auch die Betreuungspauschale.

7. Es ist angemessen, die Wohnung eines Inhaftierten für 6 Monate weiter vorzuhalten trotz seiner Unterbringung in einer Haftanstalt.

8. Ist der Wert der Schenkung eines Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück (aufgrund der Belastung mit einem eingetragenen lebenslangen Wohnrecht) deutlich geringer als der nominelle Miteigentumsanteil und damit möglicherweise nach dem Verkehrswert zu vernachlässigen und ist auch völlig offen, ob die Forderung überhaupt realisierbar ist, so kann zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon ausgegangen werden, dass Bedürftigkeit vorliegt.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsstellerin beantragte beim Antragsgegner am 5. November 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie begehrt vor Gericht die einstweilige Verpflichtung zur Gewährung solcher Leistungen.

Sie verfügt über keine eigenen Einnahmen. Sie ist mit dem 1945 geborenen K H verheiratet. Dieser bezieht eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente in Höhe von zusammen 1.439,08 € monatlich. Die Eheleute lebten jedenfalls bis zum 13. April 2007 gemeinsam in dem Haus H Weg, welches der Antragstellerin und ihrem Sohn S H jeweils zur Hälfte gehört. Die Antragstellerin hatte ihrem Sohn im Jahr 2004 seine Hälfte geschenkt. Das Grundstück ist mit einem lebenslänglichen dinglich gesicherten Wohnrecht zu Gunsten der Eheleute belastet.

Am 13. April 2007 erlitt der Ehemann einen Herzinfarkt. Er befindet sich seither im Wachkoma. Er wurde zunächst im Krankenhaus betreut und wird seit dem 17. Juli 2007 im Pflegeheim K, EStr. 77 in R versorgt. Der Betreuungsrichter des Amtsgerichts K stellte im Rahmen des Betreuungsverfahrens im Juni 2007 fest, dass eine Kommunikation mit dem Ehemann nicht möglich sei und der Arzt erklärt habe, dass dieser keine Reaktion auf Ansprache oder optische Annäherung zeige.

Die Antragstellerin gab in ihrem Antrag beim Antragsgegner an, für sich und ihren Ehemann an, seit 17. Juli 2007 getrennt zu leben.

Der Heimvertrag zwischen dem Pflegeheim Haus K und dem Ehemann sieht ein Gesamtentgelt vor, welches sich aus dem Einzelentgelt für Unterkunft und Verpflegung (täglich 15,68 €), einem für Pflege (allgemeine Pflege, soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege 63,71 €) und einem für die nicht geförderten Investitionskosten von täglich 5,53 € + 4,97 € zusammensetzt, also insgesamt 89,89 € pro Tag (bei 30 Tagen 2.697,70 €).

Leistungen des Sozialhilfeträgers hat der Ehemann bislang nicht erhalten. Die Pflegekasse zahlt - soweit von den Beteiligten vorgetra...

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