Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsentgeltverordnung in der bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung. Arbeitslosengeld II. gemischte Bedarfsgemeinschaft. Aufenthalt im Pflegeheim. Pflegekosten. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen Bezug von Altersrente. Berechnung der Individualansprüche der übrigen Mitglieder. einschränkende Auslegung des § 9 Abs 2 S 3 SGB 2. auch bei bestandskräftiger Ablehnung eines Antrags auf Sozialhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Die einschränkende Auslegung des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II bei einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Rentner greift auch dann ein, wenn diesem zwar materiell-rechtlich Ansprüche auf SGB XII-Leistungen zustünden, ein entsprechender Antrag jedoch bestandskräftig abgelehnt worden ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.04.2013; Aktenzeichen B 14 AS 71/12 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. April 2008.

Die 1949 geborene Klägerin lebte bis zum 13. April 2007 gemeinsam mit ihrem 1945 geborenen Ehemann K H in dem Haus Hweg in B. Das Haus hatte die Klägerin ihrem Sohn im Jahre 2004 zur Hälfte geschenkt. Das Grundstück ist/war jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum mit einem lebenslänglichen dinglich gesicherten Wohnrecht zu Gunsten der Eheleute belastet.

Die Eheleute zahlten auf ein Bauspardarlehen monatlich 420,00 Euro, wobei darin zum Darlehensrückzahlungsbeginn im September 2007 130,26 Euro auf Zinszahlungen entfielen. Hinsichtlich der Wohnnebenkosten wird im Übrigen auf die Auflistung im Widerspruchsbescheid des Beklagten (dort S. 4) verwiesen. Die Angaben beziehen sich auf das gesamte Haus.

Am 13. April 2007 erlitt der Ehemann einen Herzinfarkt. Er befand sich seither im Wachkoma, wurde zunächst im Krankenhaus betreut und seit dem 17. Juli 2007 im Pflegeheim K, in R. Eine Kommunikation mit ihm war nicht mehr möglich. Er zeigte keine Reaktion auf Ansprache oder optische Annäherungen. Der Ehemann erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente in Höhe von zusammen 1.466,08 Euro monatlich. Die Pflegekasse zahlte für ihn Pflegegeld in Höhe von 1.432,00 Euro monatlich. Er ist am 2011 verstorben.

Der Heimvertrag zwischen dem Pflegeheim K und dem Ehemann sah ein Gesamtentgelt vor, welche sich im streitgegenständlichen Zeitraum aus einem Einzelentgelt für Unterkunft und Verpflegung (täglich 15,68 Euro), einem für Pflege (allgemeine Pflege, soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege täglich 63,71 Euro) und einem für nicht geförderte Investitionskosten von täglich 5,53 Euro sowie 4,97 Euro zusammensetzt, also insgesamt 89,89 Euro pro Tag (für 30 Tage 2.697,70 Euro).

Das Pflegeheim verlangte von ihm abzüglich der Pflegekassenleistung jeweils rund 1.300,00 Euro monatlich. Ein Antrag beim Beigeladenen (vgl. Kopie VV Bl. 32ff) wurde abschlägig beschieden (Bescheid des Beigeladenen, Bezirksamt Lichtenberg, vom 2. Januar 2008). Sozialhilfeleistungen erhielt der Ehemann im streitgegenständlichen Zeitraum nicht.

Die Klägerin, die über keine eigenen Einnahmen verfügte, beantragte am 5. November 2007 bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Im Formular gab sie ihren Familienstand mit “dauernd getrennt lebend„ an und nannte als Trennungsdatum den 17. Juli 2007.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23. November 2007 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2007 zurückwies. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin und ihr Ehemann bildeten eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II. Zwar lebten sie in unterschiedlichen Unterkünften, jedoch seien sie nicht dauerhaft getrennt, da eine lediglich krankheitsbedingte räumliche Trennung nicht ausreiche, ein dauerndes Getrenntleben festzustellen. Dem Ehemann stünden gemäß § 7 Abs. 4 SGB II als Bezieher einer Altersrente Leistungen nach dem SGB II nicht zu. Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft betrage zwei mal 90 % des Regelsatzes gemäß § 20 Abs. 3 SGB II bzw. gemäß § 28 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Verbindung mit der Regelsatzverordnung, also zwei mal 312,00 Euro = 624,00 Euro. Als Kosten der Unterkunft seien 399,34 Euro zu berücksichtigen (Schuldzinsen in Höhe von 130,26 Euro zuzüglich 137,52 Euro Nebenkosten sowie 142,00 Euro Heizkosten abzüglich der im Regelsatz enthaltener Warmwasserkosten pro Monat). Des Weiteren entstünden für die Unterbringung des Ehemannes im Pflegeheim Kosten in Höhe von 300,00 Euro monatlich. Ob und inwieweit es sich dabei um im Rahmen des SGB II zu ...

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