Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Bedarfs und des anzurechnenden Gesamteinkommens für Unterkunft und Heizung bei Unterbringung eines Ehegatten in einer vollstationären Einrichtung
Orientierungssatz
1. Für die Ermittlung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 gilt grundsätzlich das Kopfteilungsprinzip, wenn ein Wohnhaus von mehreren Personen bewohnt wird. Lebt der zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Ehegatte in einem Pflegeheim, so ist es dem verbleibenden Partner zuzumuten, die Gesamtkosten der Unterkunft zu mindern und die Wohnverhältnisse einer dauerhaften alleinigen Nutzung der Wohnung anzupassen.
2. Bewohnt der verbleibende Ehegatte zusammen mit dem Kind das Wohnhaus, so ist bei einer solchen sog. gemischten Bedarfsgemeinschaft in Modifikation der Grundregel des § 9 Abs. 2 S. 3 SGB 2 nur das den Bedarf des nicht leistungsberechtigten Mitglieds übersteigende Einkommen auf die hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entsprechend dem Anteil ihres individuellen Bedarfs am Gesamtbedarf zu verteilen (Anschluss BSG Urteil vom 16. 4. 2013, B 14 AS 71/12 R). Der Bedarf des dauerhaft in einer stationären Einrichtung nach § 13 SGB 12 Untergebrachten ist, abweichend vom Regelfall einer gemischten Bedarfsgemeinschaft, nicht nach dem SGB 2, sondern nach dem SGB 12 zu bestimmen.
3. Ein Einsatz des Einkommens des stationär untergebrachten Ehegatten für die stationären Leistungen der Einrichtung erfolgt nur bis zur Höhe des fiktiven Anteils der Hilfe zum Lebensunterhalt an dem notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen.
4. Das sozialrechtlich für die Leistungen in stationärer Unterbringung nicht einzusetzende Einkommen kann als Garantiebetrag nicht als Einkommen bei dem hilfebedürftigen Ehegatten angerechnet werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites, einschließlich der des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 im Hinblick auch auf Einkommen des in einem Pflegeheim untergebrachten Ehemannes der Klägerin und auf Ansprüche der Klägerin gegen deren Sohn wegen Übertragung von Immobilieneigentum der Klägerin auf diesen.
Die 1949 geborene Klägerin lebte bis zum 13. April 2007 gemeinsam mit ihrem 1945 geborenen Ehemann in einem ursprünglich ihr allein gehörenden Wohnhaus. Im Jahre 2004 übertrug die Klägerin ihrem Sohn das Haus zur Hälfte. Nach § 2 des Überlassungsvertrages vom 26. August 2004 erfolgte die Übertragung im Wege der Schenkung. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt mit zwei Grundschulden belastet (60.000 DM und 360.000 DM). Der Sohn trat gemäß § 1 Nr 2 Satz 6 des Überlassungsvertrages in sämtliche sich aus den Belastungen ergebenden Pflichten ein. Bei der Umfinanzierung im Februar 2006 war neben den Eheleuten auch der Sohn der Klägerin als Kreditnehmer einbezogen. Mit dem Vertrag und der Eintragung im Grundbuchamt am 8. Februar 2005 wurde das Grundstück zudem mit einem lebenslänglichen dinglich gesicherten Wohnrecht zugunsten der Klägerin und ihres Ehegatten belastet. Die Eheleute zahlten auf ein Bauspardarlehen monatlich 420 Euro, wobei darin zum Darlehensrückzahlungsbeginn im September 2007 130,26 Euro auf Zinszahlungen entfielen und ein Tilgungsrest von 34.447,12 Euro bestand (für April 2008: Zinsen 122,57 Euro, Tilgungsrest 32.388,31 Euro). Warmwasser wurde mit Gas erzeugt, gekocht mit Elektroenergie. Die Klägerin wohnte in der separaten Wohnung mit 85,08 m2 im Erdgeschoss des Hauses. Der Sohn der Klägerin lebte in der separaten Wohnung im Obergeschoss des Hauses mit 61,90 m2. Das Grundstück hat eine Gesamtfläche von 1.285 m2.
Am 13. April 2007 erlitt der Ehemann der Klägerin einen Herzinfarkt. Er befand sich seither im Wachkoma und wurde zunächst im Krankenhaus und seit dem 17. Juli 2007 in einem Pflegeheim betreut. Die Klägerin war Betreuerin ihres Gatten. Ihr Ehemann erhielt in dem streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (1.074,57 Euro) sowie eine Betriebsrente (391,51 Euro) in Höhe von zusammen 1.466,08 Euro monatlich. Die Pflegekasse gewährte ihm Leistungen in Höhe von 1.432 Euro monatlich, die direkt an das Pflegeheim ausgezahlt wurden. Der Heimvertrag zwischen dem Pflegeheim und dem Ehemann sah ein Gesamtentgelt in Höhe von 2.732,66 Euro bzw täglich: 89,89 Euro vor. Dieses schlüsselte sich auf in ein Einzelentgelt für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von täglich 15,68 Euro, ein Einzelentgelt für allgemeine Pflegeleistungen in Höhe von 63,71 Euro täglich und ein Einzelentgelt für nicht geförderte Investitionskosten in Höhe von täglich 5,53 + 4,97 Euro. Das Pflegeheim verlangte von dem Ehemann monatlich den Differenzbetrag zwischen dem Gesamtentg...