Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Eintritts einer Genehmigungsfiktion der vom Versicherten beantragten Leistung

 

Orientierungssatz

1. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB 5 bewirkt ohne Bekanntgabe einen wirksamen Verwaltungsakt i. S. von § 31 S. 1 SGB 10. Der Eintritt der Fiktion hat zur Folge, dass dem Versicherten unmittelbar ein Anspruch auf Versorgung mit der Leistung zusteht.

2. Der Eintritt der Fiktion setzt u. a. einen i. S. von § 33 SGB 10 hinreichend bestimmten Leistungsantrag voraus. Bei beantragter Liposuktionsbehandlung - Fettabsaugung - kann sich der Antragsteller darauf beschränken, medizinisch erforderliche Leistungen zu begehren. Einschränkungen auf die Leistungsarten stationär oder ambulant oder gar hinsichtlich der Methode sind nicht erforderlich (BSG Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R).

3. Eine Liposuktionsbehandlung liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.

4. Ist eine rechtzeitige Mitteilung der Krankenkasse, die Frist i. S. des § 13 Abs. 3a S. 5 SGB 5 nicht einhalten zu können, nicht erfolgt, so gilt die beantragte Leistung als genehmigt.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 1. September 2017 wird abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin eine Liposuktionsbehandlung beider Beine zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit einer Liposuktionsbehandlung.

Sie ist 1966 geboren und Mitglied der Antragsgegnerin. Sie leidet unter anderem unter Lipödemen beider Beine in fortgeschrittenem Stadion.

Bereits 2011 hatte sie eine Liposuktionsbehandlung beantragt. Eine Klage gegen den ablehnenden Bescheid nahm sie im Jahr 2014 zurück.

Am 22. Februar 2016 beantragte sie erneut die Kostenübernahme für die bei ihr medizinisch notwendige Liposuktion. Ergänzend reichte sie einen Entlassungsbericht der Sklinik Z Fachklinik für Lymphologie und Ödemkrankheiten, vom 1. März 2016 ein.

Die Antragsgegnerin schrieb daraufhin zunächst unter dem 2. März 2016, es hätten sich Rückfragen ergeben. Die Antragstellerin solle bitte anrufen.

Mit Datum vom 10. März 2016 schrieb die Antragsgegnerin an die Antragstellerin unter dem Betreff “Zwischennachricht„, die Bearbeitung des Antrages verzögere sich. Es sei erforderlich, eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Unter dem 29. März 2016 teilte sie mit, eine Entscheidung über den Antrag innerhalb der gesetzlichen Frist sei leider nicht möglich, weil die Unterlagen des MDK noch nicht vorlägen.

Der MDK Berlin-Brandenburg gelangte in den sozialmedizinischen Gutachten vom 29. März 2016 sowie vom 22. Juni 2016 jeweils zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Indikationen für einen geplanten operativen Eingriff (Liposuktion) nicht vorlägen. Daraufhin lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24. Juni 2016 den Antrag auf Kostenübernahme ab. Den Widerspruch hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2017 zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Cottbus (SG) erhoben (Aktenzeichen S 18 KR 77/17).

Am 23. August 2017 hat sie zudem beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 1. September 2017 (Zustellung: 6. September 2017) abgewiesen. Es fehle unter anderem an einem Anordnungsgrund. Eilbedürftigkeit sei zu verneinen, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, die Kosten für die von ihr für erforderlich gehaltene Maßnahme auch nur ratenweise bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht übernehmen zu können.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 2. Oktober 2017.

Zu deren Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, als Erwerbsminderungsrentnerin mit einer Rente im Bereich der Grundsicherung die enormen Kosten einer solchen Behandlung nicht aufbringen zu können, zumal sich die Behandler nicht auf Ratenzahlung einlassen müssten.

Sie beantragt,

1. der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 1. September 2017 wird aufgehoben.

2. die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin auf ihren Antrag vom zwei 20. Februar 2016 mit einer stationären Liposuktion der beiden Beinen, hilfsweise mit einer solchen ambulanten Behandlung, in medizinisch notwendigen Umfang zu versorgen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt unter anderem aus, die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor. Aufgrund des für die Antragstellerin negativen Ausgangs des Antragsverfahrens 2011 sei ihr bekannt, dass ihr ein Anspruch nicht zustehe. Sie habe also gewusst, dass ihr es sich nicht um eine erforderliche Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3...

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