Entscheidungsstichwort (Thema)

Generelle Erhöhung der Rahmengebühr um ein allgemeines Haftungsrisiko

 

Orientierungssatz

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des RVG in Verfahren, in denen sich die dem Rechtsanwalt zustehenden Rahmengebühren nicht nach dem Gegenstandswert richten, die Gebühren generell um ein allgemeines Haftungsrisiko erhöhen wollte.

 

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung seiner Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.

Die nach § 56 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG - zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, und über die gemäß § 33 Abs. 4 RVG das Landessozialgericht als nächst höheres Gericht zu entscheiden hat, ist nicht begründet. Für die vom Beschwerdeführer geltend gemachte generelle Erhöhung der Rahmengebühr wegen eines allgemeinen Haftungsrisikos fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden (§ 14 Abs. 1 Satz 2 RVG). Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG).

Für das Begehren des Beschwerdeführers spricht zwar, dass § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG im Unterschied zu der Regelung in Satz 2 dieser Norm nicht ausdrücklich auf ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts abstellt. Dies bedeutet aber nicht, dass in Verfahren, in denen Rahmengebühren anfallen, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, diese generell um ein allgemeines Haftungsrisiko des Rechtsanwalts zu erhöhen sind. Soweit § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG auf “das Haftungsrisiko„ abstellt, ist damit das “besondere Haftungsrisiko des Rechtsanwalts„ im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 RVG gemeint. Dies ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung (siehe Drucksache 15/1971 des Deutschen Bundestags, Seite 189 ff.). Dort wird zu § 14 Abs. 1 RVG ausgeführt, durch diese Norm sollten die bei der Bestimmung der Gebühr zu berücksichtigenden Kriterien erweitert werden. Bei der Bewertung anwaltlicher Tätigkeit spiele gerade aus der Sicht des verständigen Mandanten in besonderen Fällen das Haftungsrisiko, das ein Anwalt auf sich nimmt, eine Rolle. Ein in Einzelfällen gegebenes höheres Risiko solle demgemäß auch zu einer höheren Gebühr führen. Daraus wird deutlich, dass allein ein besonderes Haftungsrisiko, das über das hinausgeht, was mit der anwaltlichen Tätigkeit generell an Haftungsrisiken verbunden ist, durch eine entsprechende Erhöhung der Vergütung besonders berücksichtigt werden soll (vgl. auch Winkler in Mayer/Kroiß, RVG, 2. Auflage, § 14 Rdnr. 32). Dass das Gesetz in § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG eine besondere Regelung für Verfahren, in denen sich die Rahmengebühren nicht nach dem Gegenstandswert richten, trifft, ist darauf zurückzuführen, dass das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts im allgemeinen mit dem Gegenstandswert derart verbunden ist, dass das Haftungsrisiko dem Umfang nach mit dem Gegenstandswert steigt. Liegt für den Rechtsanwalt allein deshalb ein besonderes - hohes - Haftungsrisiko vor, weil auch der Gegenstandswert besonders hoch ist, wird diesem Haftungsrisiko schon durch dem hohen Gegenstandswert entsprechende hohe Rahmengebühren ausreichend Rechnung getragen, so dass eine weitere Erhöhung der Gebühr im Einzelfall nicht zu erfolgen hat. Anders ist die Sachlage aber dann, wenn sich die Rahmengebühren nicht nach dem Gegenstandswert richten, denn dann muss ein wegen des Wertes der Sache bestehendes besonderes Haftungsrisiko gesondert berücksichtig werden können. Dies setzt aber in jedem Fall voraus, dass es sich um ein aufgrund des Wertes der Sache oder aus sonstigen Gründen den Normalfall übersteigendes und damit besonderes Haftungsrisiko handelt. Es ist hingegen nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des RVG in Verfahren, in denen sich die dem Rechtsanwalt zustehenden Rahmengebühren nicht nach dem Gegenstandswert richten, die Gebühren generell um ein allgemeines Haftungsrisiko erhöhen wollte (so auch Klaus Otto: Die angemessene Rahmengebühr nach dem RVG, NJW 2006,1472).

Das Verfahren über die Erinnerung ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei. Kosten werden nach Satz 3 der genannten Vorschrift nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1752192

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