Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessenheit der Unterkunftskosten und Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten kann für eine aus zwei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm zugrunde gelegt werden.

2. Für den angemessenen Mietzins ist der örtliche Mietspiegel maßgeblich.

3. Nur wenn Besonderheiten des Einzelfalles beachtlich sind, gelten höhere als dem üblichen Bedarf entsprechende Unterkunftskosten ohne zeitliche Begrenzung als angemessen. Das ist bei der Notwendigkeit einer Rollstuhlbenutzung oder in Fällen aufwändiger Pflege der Fall. Diese können eine unabweisbare Notwendigkeit für die dauerhafte Erhaltung des derzeit innegehabten Wohnraumes begründen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde des 1960 geborenen Antragstellers zu 1 und seines 1987 geborenen Sohnes, des Antragstellers zu 2, der sich seit dem 01. August 2005 in einer Ausbildung zum Textilreiniger befindet, ist nicht begründet. Mit dieser verfolgen sie ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiter, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung i.S. von § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihnen ab dem 05. Februar 2007 (Zeitpunkt des Eingangs des einstweiligen Rechtsschutzantrags beim Sozialgericht ≪SG≫) bis zum 31. Juli 2007 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von insgesamt 233,33 EUR monatlich zu gewähren, nachdem die Antragsgegnerin ihnen in dem noch nicht (i.S. von § 77 SGG) bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 02. Januar 2007 für die Zeit vom 01. Februar 2007 bis zum 31. Juli 2007 lediglich KdU in Höhe von 432,26 EUR monatlich (444,00 EUR abzüglich einer Warmwasseraufbereitungspauschale von 11,74 EUR) bewilligt hatte. Zugleich wenden die Antragsteller sich gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das erstinstanzliche Verfahren.

Für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung ist bereits deshalb kein Raum, weil es an einem Anordnungsanspruch - der materiell-rechtlichen Rechtsposition, deren Durchsetzung beabsichtigt ist - fehlt.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; hier noch in der ursprünglichen Fassung der Norm durch das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 ≪BGBl I 2954≫) werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erstattet, soweit diese angemessen sind. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der mit Wirkung vom 01. August 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706; dem vormaligen § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ≪im Folgenden einheitlich: § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ≫) sind, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Die Aufwendungen für die Wohnung “Sstr.„ sind nicht angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (dazu 1.); sie sind auch nicht wegen zeitweiser fehlender Möglichkeit oder Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels zu übernehmen (dazu 2.) und sie sind auch nicht als einzelfallbezogener dauerhaft höherer Bedarf von der Antragsgegnerin zu decken (dazu 3.)

1. Ob die Aufwendungen für die von den Antragstellern derzeit bewohnte 78,22 qm große Dreizimmerwohnung, die der Antragsteller zu 1 seit dem 01. Juni 2005 gemietet hat, d.h. der monatliche Mietzins von 668,49 EUR (Kaltmiete von 415,69 EUR, Betriebskostenvorauszahlung von 191,34 EUR und Heizkostenvorauszahlung von 61,46 EUR), angemessen i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind, ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht in erster Linie anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 07. Juni 2005 (Amtsblatt ≪ABl.≫ 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. 2062; im Folgenden: AV Wohnen) zu bestimmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit obliegt im Streitfalle vielmehr den Gerichten; eine Rechtsverordnung zur näheren Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Verordnungsermächtigung zu § 27 Nr. 1 SGB II) ist bisher nicht ergangen.

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