Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Versagung wegen fehlender Mitwirkung. Vorliegen einer Bedarfs- bzw Einstehensgemeinschaft. Auskunftspflicht des Partners. Verwaltungsvollstreckung. Beweismittel. einstweiliger Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Antragstellerin, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt, ist nicht verpflichtet, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihres Partners iSd § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB 2 mitzuteilen. Tut sie dies nicht, ist eine darauf gestützte Versagensentscheidung rechtswidrig.

 

Orientierungssatz

1. Eine Regelungsanordnung im Sinne der Verpflichtung zur vorläufigen Leistung kann auch bei Ablehnung von Leistungen nach dem SGB 2 wegen mangelnder Mitwirkung nach § 66 SGB 1 ergehen, da bei Leistungen zum Lebensunterhalt nur so effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 22.11.2005 - L 29 B 1212/05 AS ER = FEVS 57, 452).

2. Liegen ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen einer Einstehensgemeinschaft iS von § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB 2 vor, so ist der Grundsicherungsträger gehalten nach § 60 Abs 4 SGB 2 Auskünfte unmittelbar vom Partner des Hilfebedürftigen einzuholen, dh die gesetzliche Auskunftspflicht des Dritten durch Verwaltungsakt zu konkretisieren und diesen mit Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen. Der Grundsicherungsträger kann den Partner als Zeugen vernehmen (§ 21 Abs 1 SGB 10) bzw das zuständige Sozialgericht um Vernehmung ersuchen (§ 22 SGB 10). Bei unterbliebener oder pflichtwidriger Erfüllung einer bestehenden und fälligen Auskunftspflicht durch den Partner stehen ferner die Rechte und Befugnisse nach §§ 62 und 63 SGB 2 zu.

3. Zur Entscheidung unter Folgenabwägung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und zum Beginn bzw zum Zeitraum der Leistungsgewährung unter Berücksichtigung der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2007 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig ab Zustellung dieses Beschlusses bis zu einer bestandkräftigen Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. März 2007, längstens jedoch bis zum 30. September 2007, der Antragstellerin zu 1.) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 436,- € und dem Antragsteller zu 2.) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 271,- €, für Juni 2007 jeweils anteilig für die verbleibenden Tage vom Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses an, zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

 

Gründe

Die gemäß § 172 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht Cottbus nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), und mit der die Antragsteller bei verständiger Würdigung der bereits erstinstanzlich von der insoweit gesetzlich vertretungsbefugten und nach § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG als bevollmächtigt anzusehenden Antragstellerin zu 1. auch namens der Antragsteller zu 2. und 3. eingereichten Rechtsschutzantrages ihr Begehren weiter verfolgen, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ihre geltend gemachten Individualansprüche auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit ab 1. April 2007 zu erfüllen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Eine Regelungsanordnung im Sinne der Verpflichtung zur vorläufigen Leistung kann auch bei Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II wegen mangelnder Mitwirkung nach § 66 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB I ergehen, da bei Leistungen zum Lebensunterhalt nur so effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann (vgl. nur LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. November 2005 - L 29 B 1212/05 AS ER - FEVS 57, 452). Zwar scheidet eine Verurteilung der Antragsgegnerin zur Leistung im Hauptsacheverfahren regelmäßig aus, wenn Gegenstand lediglich ein Versagensbescheid ist. Denn die Versagung einer Leistung setzt eine Entscheidung der Behörde über das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen, die vom Gericht überprüft werden könnte, nicht voraus. Bei Entziehungsbescheiden ist zudem einstweiliger Rechtsschutz durch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG geboten und auch ausreichend. Bei rechtswidrigen Versagensentscheidungen, die auf einen Fortzahlungsantrag nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes ergehen, ist es aber zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne einer zu gewährleistenden und verfassungsrechtlich garantierten Existenzsicherung geboten, die Antragsgegnerin unmittelbar zur Leistung zu verpflichten, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung im Übrigen vorliegen.

Die auf § 6...

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