Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit des Rechtsweges. Beschwerde gem § 172 SGG zum Landessozialgericht: Unzuständigkeitserklärung des SG nach Verweisung des Rechtsstreits durch Amtsgericht. Bestimmung des zuständigen Gerichts. Vorlage an das BSG: rechtskräftige Beschlüsse des Amtsgerichts und des SG. Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses. Willkür. Annex zum Sozialrechtsstreit
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen den Beschluss, mit dem sich ein Sozialgericht nach Verweisung des Rechtsstreits durch ein Amtsgericht für unzuständig erklärt, ist die Beschwerde zum Landessozialgericht gegeben.
2. Die Sache ist dem Bundessozialgericht nur dann zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen, wenn beide Beschlüsse der Gerichte mangels Anfechtung durch die Beteiligten rechtskräftig sind; im Übrigen entscheidet das Landessozialgericht.
Normenkette
GVG § 17a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 3; SGG § 58 Abs. 1 Nr. 4, § 172
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Mai 2016 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass das Sozialgericht Cottbus das zuständige Gericht ist.
Gründe
I.
In der Sache streiten die Beteiligten über die Rückforderung von Rechtsanwaltsgebühren; vorab wenden sich die Beteiligten gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Cottbus, mit dem dieses den Rechtsweg zu den Sozialgerichten trotz Verweisung der Sache vom Amtsgericht Lübben (Spreewald) an das örtlich zuständige Sozialgericht für unzulässig erklärt hat.
Im Rechtsstreit S 27 AS 1812/10 hat der Beklagte dem kostenpflichtigen Kläger eine Kostennote über 559,30 Euro übersandt, von denen der Kläger 321,30 Euro anerkannt hat. Im Übrigen hat er Kostenfestsetzung durch das Sozialgericht beantragt. Danach wurden Kosten in Höhe von 297,50 Euro festgesetzt (Beschluss vom 25. November 2011), die Erinnerung hiergegen wurde mit Beschluss vom 5. Juli 2012 zurückgewiesen. Danach fordert der Kläger eine Erstattung in Höhe von 23,80 Euro vom Beklagten.
Nach Ablehnung der Erstattung durch den Beklagten hat der Kläger Klage zum Amtsgericht Lübben (Spreewald) erhoben, welches mit Beschluss vom 2. März 2015 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Cottbus verwiesen hat.
Dieses hat mit Beschluss vom 19. Mai 2016 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
Gegen den ihm am 17. Juni 2016 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 1. Juli 2016 Beschwerde eingelegt.
Er ist der Auffassung, dass die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss mit der Folge der Zuständigkeit des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) zwar inhaltlich zutreffend seien, da er selbst sich auch an dieses Gericht gewandt habe, der Verweisungsbeschluss allerdings für das Sozialgericht bindend sei, so dass dieses sich nicht für unzuständig erklären und die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das Bundessozialgericht beantragen könne.
Der Beklagte tritt den Ausführungen des Klägers bei.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.
Die Beschwerde gegen den die Unzulässigkeit des Rechtswegs feststellenden Beschluss des Sozialgerichts Cottbus ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gegeben. Da das Sozialgerichtsgesetz (SGG) die in § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG genannte sofortige Beschwerde nicht kennt, tritt an deren Stelle die Beschwerde nach § 172 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 51 Rn. 55 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung, z. B. Bundessozialgericht SozR 3-1500 § 51 Nr. 24).
Die danach zulässige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat seinen Beschluss auf die analoge Anwendung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG gestützt, da die Kompetenz von Gerichten verschiedener Rechtswege im Sinne eines sogenannten negativen Kompetenzstreites im Streit stehe.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschlüsse vom 27. September 2016, B 4 SF 2/16 R, bisher nicht veröffentlicht, vom 21. Dezember 2015, B 4 SF 1/15 R und B 4 SF 2/15 R, zitiert nach juris, und vom 16. September 2009, B 12 SF 7/09 S, zitiert nach juris) wird das zuständige Gericht in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG bei einem negativen, den Rechtsweg übergreifenden Kompetenzkonflikt vom Bundessozialgericht bestimmt, sofern sich die beiden beteiligten Gerichte jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt haben und das Bundessozialgericht als für einen der beteiligten Gerichtszweige zuständiger oberster Gerichtshof zuerst um Entscheidung angegangen wird.
Vorliegend ist schon nicht feststellbar, dass die vom Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung aufgestellten Voraussetzungen vorliegen, denn rechtskräftig ist allein der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 2. März 2015. Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus wäre im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 16. September 2009 nur dann rechts...