Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Beschwerde gegen Entscheidung nach § 193 SGG. hinsichtlich der Statthaftigkeit ist auf den Eingang der Beschwerde abzustellen. nicht maßgeblich ist, ob eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden ist. Kostengrundentscheidung. Intertemporales Prozessrecht. Vertrauensschutz. Sozialgerichtliche Kostengrundentscheidung: Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung. Anwendbarkeit einer Gesetzesänderung auf Altfälle

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG (in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung) findet auch dann Anwendung, wenn die Beschwerdefrist am 01.04.2008 noch nicht abgelaufen war, der Beschwerdeführer aber seine Beschwerde erst nach dem 01.04.2008 erhoben hat.

 

Normenkette

SGG § 172 Abs. 3 Nr. 3, § 193

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 19. März 2008 wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Zwischen den Beteiligten ist allein noch die Erstattung außergerichtlicher Kosten für das vor dem Sozialgericht in Berlin geführte einstweilige Rechtschutzverfahren streitig.

Mit Beschluss vom 21. September 2007 hatte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und weiter entschieden, dass außergerichtliche Kosten der Antragstellerin nicht zu erstatten seien. Auf die hier gegen erhobene Beschwerde der Antragstellerin hat das Sozialgericht den Beschluss vom 21. September 2007 abgeändert und den Antragsgegner verpflichtet, ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten. Der Beschluss ist dem Antragsteller am 28. März 2008 zugestellt worden. Mit seiner beim Sozialgericht Berlin am 02. April 2008 eingegangenen Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Auferlegung von außergerichtlichen Kosten.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2008 zurückzuweisen.

Die Beschwerde ist unzulässig. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung (eingefügt durch Artikel 1 Nr. 29 b Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetztes vom 26. März 2008, BGBl. I Seite 444) sind Beschwerden gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG nicht mehr statthaft. Diese Vorschrift ist im vorliegenden Verfahren anwendbar. Vorliegend wendet sich der Antragsgegner gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin, mit welcher nach § 193 SGG über die Kosten des Rechtsstreits entschieden worden ist. Dies ergibt sich aus den Gründen der Entscheidung. Hinsichtlich der Statthaftigkeit ist auf den Eingang der Beschwerde beim Gericht abzustellen, hier am 02. April 2008. § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG ist ohne eine Übergangsregelung ab 01. April 2008 in Kraft getreten. Grundsätzlich ist eine Änderung des Verfahrensrechts auf anhängige Rechtsstreitigkeiten anzuwenden (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992, 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90, BVerfGE 87, 48). Eine Einschränkung dieses Grundsatzes ist hier aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln führt aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht dazu, dass ein bereits eingelegtes Rechtsmittel entfällt. Mit der Einlegung eines nach der Verfahrensordnung statthaften Rechtsmittels wird eine gewichtige verfahrensrechtliche Position begründet. Daher erfährt der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, eine Einschränkung dann, wenn eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln zum Fortfall der Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels führen würde (BVerfG v. 07. Juli 1992, 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90, a.a.O, m.w.N.).

Eine solche schützenswerte Rechtsposition hatte der Antragsgegner hier jedoch bei Eintritt der Rechtsänderung dem Wegfall der Beschwerdemöglichkeit gegen sozialgerichtliche Entscheidungen nach § 193 SGG nicht erworben. Eine solche Vertrauen schützende Position wird nicht über eine Rechtsmittelbelehrung hergestellt, sondern kann nur aus einer bereits vor Rechtsänderung durch Einlegung einer ehemals statthaften Beschwerde erworbenen verfahrensrechtlichen Position resultieren. Da der Antragsgegner vorliegend die Beschwerde bereits zu einem Zeitpunkt erhoben hat, zu dem diese nach der vorher eingetretenen Rechtsänderung nicht mehr statthaft war, hatte er zum Zeitpunkt der Rechtsänderung gerade keine schützenswerte verfahrensrechtliche Position inne, die ihm mit der Rechtsänderung rückwirkend genommen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Der Antrag der Antragstellerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war abzulehnen, weil ...

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