Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung. Eilbedürftigkeit. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsgrund. besondere Dringlichkeit
Orientierungssatz
1. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
2. Ein Anordnungsgrund liegt in dringenden Fällen vor, wenn eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Vergleiche BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = Breith 2005, 803).
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. April 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Beschwerde-verfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. April 2007 ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
Das Rechtsschutzgesuch des Antragstellers richtet sich nach § 86 b Abs. 1 SGG. Denn mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 9. Februar 2007 sind ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für März und April 2007 - für den Monat Mai liegt nach Aktenlage ein Bewilligungsbescheid noch nicht vor - in Höhe von monatlich 599,03 € bewilligt worden. Damit hat der Antragsgegner einen Rechtsgrund geschaffen, aus dem der Antragsteller für die jeweiligen Monate tatsächlich die Auszahlung der von ihm begehrten Leistungen verlangen kann. Wenn der Antragsgegner meint, diese Leistungsgewährung sei wegen der getroffenen Absenkungsentscheidung rechtswidrig geworden, so bedarf der Bewilligungsbescheid der Aufhebung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 330 Abs. 2 oder 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 45 oder § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch. Dieser Bescheid, der hier unter dem 15. Februar 2007 ergangen ist, und der mit dem am gleichen Tag ergangenen Änderungsbescheid über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. März 2007 bis zum 30. April 2007 in Höhe von monatlich 495, 03 € eine Einheit bildet, stellt eine den Antragsteller belastende Regelung dar, weil mit ihr in die mit dem Bewilligungsbescheid vom 9. Februar 2007 geschaffene und den Antragsteller begünstigende Rechtsposition eingegriffen worden ist. Mit ihr hat der Antragsgegner die dem Antragsteller für den genannten Bewilligungsabschnitt gewährte Leistungsbewilligung teilweise, in Höhe von monatlich 104,00 € aufgehoben und die dem Antragsteller bisher gewährten Leistungen in Höhe von monatlich 599, 03 € auf monatlich 495, 03 € herabgesetzt.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 21. Februar 2007 Widerspruch erhoben. Da dieser Widerspruch nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat, richtet sich der einstweiliger Rechtsschutz - jedenfalls soweit der Antragsteller im Ergebnis höhere Leistungen für den Bewilligungsabschnitt vom 1. März 2007 bis zum 30. April 2007 begehrt - nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.
Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, Rdnr. 197 ff.). Ist in diesem Sinne eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu bejahen, ist weiterhin Voraussetzung, dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, also ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit besteht (Beschlüsse des Senats vom 6. März 2007 - L 28 B 290/07 AS ER -,vom 2. Mai 2007 - L 28 B 517/07 AS ER - und vom 6. Juni 2007 - L 28 B 731/07 AS ER - sowie bereits Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2006 - L 10 B 191/06 AS ER -, abrufbar unter: www.sozialgerichtsbarkeit.de).