Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG. Nichtanwendung auf Asylbewerber mit Fiktionsbescheinigung
Orientierungssatz
1. Nach § 1 AsylbLG Leistungsberechtigte sind gemäß § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 2 von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen. Dazu zählt nicht der Asylbewerber, der über eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs 3 S 1 AufenthG 2004 verfügt. Diese wird einem Ausländer erteilt, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen und die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Dessen Aufenthalt gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt.
2. Bei der Fiktionsbescheinigung handelt es sich nicht um einen Titel, welcher den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 2 auslöst (vgl BVerwG vom 22.1. 2002 - 1 C 6/01 = BVerwGE 115, 352).
Tenor
Auf die Beschwerde des Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2018 dahin abgeändert, dass die tenorierten Leistungen durch den Antragsgegner zu erbringen sind.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Antrag der Antragstellerin auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Antragsgegner und Beigeladener streiten darüber, wer von ihnen für die Erbringung von Leistungen für die Antragstellerin zuständig ist.
Die 2016 in B geborene Antragstellerin verfügte über eine erstmals am 10. Juli 2017 ausgestellte und bis 9. Juli 2018 gültige Fiktionsbescheinigung, nach der ihr Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltG) als erlaubt galt. Sie ist die Tochter des 1971 geborenen H El N und der 1984 geborenen N El N, die zwei weitere 2010 und 2013 geborene Kinder haben, die sämtlich l Staatsangehörige sind und die in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dem Vater der Antragstellerin, der über eine bis 1. Oktober 2020 gültige Fiktionsbescheinigung mit der Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit gestattet" verfügt, wurden regelmäßig und zuletzt durch Bescheid vom 18. Januar 2018 für den Zeitraum vom 1. Februar 2018 bis 31. Januar 2019 Leistungen durch den Antragsgegner nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) bewilligt. Der Mutter und den Geschwistern der Antragstellerin, die eine Duldung besitzen, waren durch das Bezirksamt N von B zuletzt durch Bescheid vom 9. Januar 2018 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bewilligt worden.
Für die Antragstellerin waren für die Zeit bis einschließlich Januar 2018 jeweils Leistungen nach dem SGB II durch den Antragsgegner bewilligt worden, dies zuletzt durch an ihren Vater gerichteten Bescheid vom 25. November 2017, in dem sie als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt worden war. Auf den Weiterbewilligungsantrag des Vaters hin bewilligte der Antragsgegner mit dem bereits genannten Bescheid vom 18. Januar 2018 Leistungen lediglich für ihn, den Vater. Für die Antragstellerin führte der Antragsgegner aus, dass aufgrund der Fiktionsbescheinigung für die Zeit vom 1. Februar 2018 “bis 9. Juli 2018„ gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nummer 3 SGB II (Ausschluss für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG) kein Anspruch auf Leistungen bestehe. Eine Berücksichtigung der Antragstellerin für die Zeit ab 10. Juli 2018 erfolgte dabei auch ausweislich der Berechnung nicht. Für die zuvor für die Antragstellerin erbrachten Leistungen machte der Antragsgegner einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen geltend.
Mit Eingang am 8. Mai 2018 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung vorläufiger Leistungen in Höhe von 80 % des einschlägigen Regelbedarfes zur Existenzsicherung, “mithin 192 Euro monatlich„.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 28. Mai 2018 das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt T- von Berlin, gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen. Durch Beschluss vom 14. Juni 2018 hat es den Beigeladenen verpflichtet, der Antragstellerin für den Zeitraum vom 8. Mai 2018 bis einschließlich September 2018 monatlich 212,20 Euro zu gewähren, dies für Mai 2018 anteilig. Der Anspruch ergebe sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG, wonach minderjährige Kinder von Personen, die eine Duldung nach § 60 a Ausländergesetz hätten, leistungsberechtigt nach § 1 AsylbLG seien.
Gegen diesen ihm am 22. Juni 2018 zugegangenen Beschluss wendet sich der Beigeladene mit der am 28. Juni 2018 eingegangenen Beschwerde. Er trägt vor, dass die Antragstellerin ihre Fiktionsbescheinigung aus dem Aufenthaltstitel des Vaters ableite. Von Leistungen nach dem AsylbLG sei sie wie auch ihr Vater ausgeschlossen. Dies ergebe sich für die Antragstellerin auch aus § 1 Abs. 2 AsylbLG. Auch nach dem Rundschreiben I Nr. 06/2007 über die Umsetzung des § 1 AsylbLG und des § 23 SGB XI...