Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Beschwerdewert. Zulässigkeit der Beschwerde bei Unterschreitung des für die Berufung maßgeblichen Wertes des Streitgegenstandes in Sozialhilfesachen. unbestimmter Antrag. Sozialhilfe
Orientierungssatz
1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung, soweit nicht wiederkehrende Leistungen von mehr als einem Jahr im Streit sind, nur zulässig, wenn der Wert der Beschwerde mindestens 750 Euro beträgt (Anschluss: LSG Halle, Bes. v. 07.10.2009, Az.: L 5 AS 293/09 B ER; Entgegen LSG Celle Bes. v. 21.10.2008, Az.: L 6 AS 458/08 ER).
2. Die Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG sind bei der Prüfung der Beschwerdezulassung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht heranzuziehen.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2011 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin im Rahmen der einstweiligen Anordnung ihr Begehren weiterverfolgt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 8,75 Euro monatlich zu gewähren, ist nicht statthaft.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der ab 01. April 2008 geltenden Fassung (eingefügt durch Artikel 1 Nr. 29 b Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008, BGBl I Seite 444) sind Beschwerden in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes stets ausgeschlossen, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes zulässig ist, sondern der Zulassung bedarf (ebenso: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07. Oktober 2009 - L 5 AS 293/09 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. September 2008, - L 8 SO 80/08 ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 1. September 2008 - L 5 AS 79/08 NZB; Hessisches LSG, Beschluss vom 1. Juli 2008 - L 7 SO 59/08 AS ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Juli 2008 - L 7 B 192/08 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2010 - L 20 AS 1702/10 B; jeweils zitiert nach juris). Der entgegenstehenden Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 21. Oktober 2008 - L 6 AS 458/08 ER - Juris; so wohl auch Breitkreuz/Böttiger, SGG, § 172 Rn. 45) folgt der Senat nicht (vgl. ebenso mit ausführlicher Begründung: Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 12. Januar 2009 - L 7 AS 421/08 B ER - Juris).
Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Entlastung der Landessozialgerichte erfolgt. Dieser Zweck sollte durch die Anhebung des Schwellenwertes auf 750,00 € und durch die Einschränkung der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erreicht werden. Es entspräche daher dem Entlastungswillen des Gesetzgebers nicht, wenn eine fiktive Prüfung möglicher Zulassungsgründe und eine hierauf gestützte Zulassung der Beschwerde durch die Sozialgerichte oder eine Nichtzulassungsbeschwerde, über deren Zulässigkeit dann die Landessozialgerichte zu befinden hätten, unter Geltung des neuen Rechts anerkannt würde. Der erstrebte Entlastungseffekt wird nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne weiteres aus dem Beschwerdewert oder der Art und Dauer der im Streit stehenden Leistungen ergibt (§ 144 Abs. 1 SGG). Hinzu kommt, dass die in § 144 Abs. 2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe erkennbar auf das Hauptsacheverfahren zugeschnitten und auf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht übertragbar sind. Eine fiktive Prüfung ist schon deshalb nicht sinnvoll, weil nicht klar ist, ob es ein Hauptsacheverfahren geben und wie dieses ggf. entschieden werden wird. Die Prüfung der Zulassungsgründe Divergenz (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) und Verfahrensmangel (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) sind bereits tatsächlich nicht möglich. Auch eine fiktive Prüfung der grundsätzlichen Bedeutung der Hauptsache (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) ist wegen der unterschiedlichen Funktion von Hauptsache- und Eilverfahren nicht sachgerecht, denn die Entscheidungen sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht deckungsgleich. Da es im einstweiligen Rechtsschutz maßgeblich darum geht, “vorläufige„ Regelungen zu treffen, werden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gerade nicht abschließend beantwortet.
Schließlich wird in der Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht auf die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung oder die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 144, 145 SGG) verwiesen, was auch regelungssystematisch gegen deren Anwendbarkeit spricht.
Davon ausgehend wäre die Berufung hier zulassungsbedürftig, die Beschwerde deshalb unzulässig. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG (in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegens...