Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Folgenabwägung. Berufsausbildungsbeihilfe für einen Ausländer. vorläufige Sicherung des Existenzminimums
Orientierungssatz
Angesichts der fachgerichtlich nicht abschließend geklärten Rechtslage zu § 132 SGB 3 ist bei der Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes über den Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe eines Ausländers eine verfassungsrechtlich gebotene Folgenabwägung vorzunehmen, die zugunsten des Antragstellers auszufallen hat. Die Gefahr der Uneinbringlichkeit eines Rückforderungsanspruchs bezüglich der insoweit zu leistenden Zahlungen, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass diese ohne Rechtsgrundlage erfolgt sind, überwiegt das verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum des Antragstellers nicht.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 3. Mai 2017 aufgehoben und der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt, soweit das Sozialgericht die Antragsgegnerin einstweilen zur Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit ab 1. Juli 2017 verpflichtet hat.
Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 15. März 2017 bis 30. Juni 2017 in Höhe von monatlich 275,- € verpflichtet wird, für März 2017 entsprechend anteilig.
Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet, sofern der Antragsteller seinen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mangels insoweit im Schriftsatz vom 14. November 2017 eindeutig erklärter prozessualer Erledigungserklärung (auch) für die Zeit ab 1. Juli 2017 weiterverfolgt. Ein Bedürfnis für die Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes ist für Leistungszeiträume ab 1. Juli 2017 in Ansehung der zwischenzeitlich für die Zeit ab 1. Juli 2017 erfolgten Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bis 9. Oktober 2018 (vgl zuletzt Bescheid vom 18. September 2017) nicht (mehr) ersichtlich (vgl auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫ in dem Beschluss vom 28. September 2017 - 1 BvR 1510/17 - Rn 24). Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben, soweit das Sozialgericht (SG) eine Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Zeit ab 1. Juli 2017 verlautbart hat. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit insoweit ein fortdauernder Grund bestünde, diese Anordnung aufrechtzuerhalten, zumal dem Antragsteller nach seinem Vortrag seit dem genannten Datum “die beantragte Leistung nun gewährt wird„ (vgl Schriftsatz vom 14. November 2017).
Im Übrigen ist die Beschwerde indes nicht begründet und war mit der im Tenor konkretisierten Maßgabe zurückzuweisen. Für die noch zulässig streitbefangene Zeit vom 15. März 2017 (Antragseingang) bis 30. Juni 2017 ist ein Anordnungsgrund iS eines zur Vermeidung anders nicht rückgängig zu machender Nachteile unabweisbar dringenden Regelungsbedürfnisses dargetan. Allein der zwischenzeitliche Zeitablauf vermag hieran nichts zu ändern. Denn der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) verbietet es, die Beurteilung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abhängig zu machen. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller hier die Verzögerungen durch die erfolgte Zurückverweisung und erneute Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht zu vertreten hat. Der Antragsteller kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass er sich hätte bemühen müssen, das Ziel, wenigstens vorübergehend existenzsichernde Leistungen zu erhalten, auch durch einen Antrag auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu erreichen (vgl zur im Eilrechtsverfahren grundsätzlich möglichen Verweisbarkeit auf subsidiäre SGB XII-Leistungen Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 1/16 - juris). Denn er hatte entsprechende Leistungen bei der Stadt Brandenburg an der Havel als zuständigem Träger nach entsprechender Zuweisungsentscheidung - erfolglos - beantragt (vgl Bescheid vom 6. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016).
Dem Antragsteller steht im Hinblick auf die vorliegend fachgerichtlich nicht abschließend geklärte Rechtslage zu § 132 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) in der seit 6. August 2016 geltenden Fassung, nach der ein Anspruch des Klägers jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen sein dürfte, in Ausfluss der insoweit vorzunehmenden und verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung auch ein Anordnungsanspruch in der verlautb...