Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Dauer der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Begriff der Vollziehung eines Verwaltungsakts (hier: Beantragung einer vorzeitigen Altersrente durch den SGB 2-Leistungsträger). Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Die durch Beschluss angeordnete aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs dauert, wenn das Gericht sie nicht befristet, bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts.
Die Rentenantragstellung durch die Behörde ist im Sinne des § 86b Abs 1 S 2 SGG als Vollziehung der Aufforderung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente anzusehen.
Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch aus § 86b Abs 1 S 2 SGG besteht dem Grunde nach schon dann, wenn der Rechtsschutzsuchende wegen der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs nicht zur Hinnahme der aus dem Vollzug des Verwaltungsakts folgenden Beeinträchtigung seiner Rechte verpflichtet ist.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2014 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 18. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2014 wird angeordnet. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gestellten Rentenantrag zurückzunehmen.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers werden vom Antragsgegner für beide Rechtszüge erstattet.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird als unzulässig verworfen.
Gründe
Die am 24. Oktober 2014 erhobene Beschwerde des Antragstellers gegen die Teilablehnung seines Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz durch den ihm am 27. September 2014 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2014 hat Erfolg.
Das Sozialgericht hat dem dort am 3. September 2014 eingegangenen Begehren des Antragstellers stattgegeben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. August 2014 anzuordnen, mit welchem der 1950 geborene Antragsteller aufgefordert wurde, spätestens bis zum 4. September 2014 eine vorgezogene Altersrente zu beantragen. Den Antrag, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, anstelle des Antragstellers einen Antrag auf eine vorgezogene Altersrente zu stellen, hat das Sozialgericht dagegen abgelehnt, weil zu erwarten sei, dass der Antragsgegner die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beachten werde. Der Antragsgegner hat den Widerspruch dann mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2014 zurückgewiesen und anstelle des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Rentenantrag gestellt. Der Antragsteller hat daraufhin mit einem Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 gegen den Bescheid vom 18. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2014 bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Mit der vorliegenden Beschwerde begehrt der Antragsteller nun, den Beschluss des Sozialgerichts dahingehend zu ändern, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage angeordnet wird und der Antragsgegner verpflichtet wird, den Rentenantrag zurückzunehmen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch entfallen, dass sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch den Erlass des Widerspruchsbescheides erledigt hat. Die durch den Beschluss angeordnete aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs dauert, wenn das Gericht sie nicht befristet, bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung nicht gemäß § 86b Abs. 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zeitlich beschränkt. Eine solche Beschränkung liegt nicht etwa darin, dass es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet hat, denn das kennzeichnet nur den Rechtsbehelf, an den diese Wirkung geknüpft ist, besagt aber nicht, dass die Dauer der aufschiebenden Wirkung zeitlich beschränkt worden ist. Eine etwaige Beschränkung der Anordnung auf die Dauer des Widerspruchsverfahrens, die unter Umständen sachgerecht sein kann, muss in der Entscheidung zum Ausdruck gebracht werden. Das ist aber nicht geschehen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist danach nicht schon durch die Zurückweisung des Widerspruchs beendet worden. Das folgt auch aus Sinn und Zweck der aufschiebenden Wirkung. Diese soll im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes [GG]) verhindern, dass trotz der Inanspruchnahme des Rechtsweges vollendete Verhältnisse geschaffen werden. Diesem Zweck wird es am besten gerecht, wenn die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts fortwirkt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 9. April 2010, 2 WDS-VR 1/10; Urteil vom 27. Oktober 1987, 1 C 19/85; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. August 201...