Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch eines Ausländers: Verfügbarkeit bei fehlender Arbeitserlaubnis. Umfang einer Prognoseentscheidung zur Vermittelbarkeit
Orientierungssatz
1. Allein das Fehlen einer notwendigen Arbeitserlaubnis oder -berechtigung hindert noch nicht die Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitsuchenden für die Arbeitsvermittlung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn aufgrund einer anzustellenden Prognoseentscheidung feststeht, dass dem Arbeitsuchenden die Erlaubnis oder Berechtigung nicht erteilt werden wird.
2. Eine negative Prognoseentscheidung kann erst getroffen werden, wenn die Agentur für Arbeit bezüglich aller konkret für diesen Arbeitssuchenden möglichen Tätigkeiten in dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktbereichen Vermittlungsbemühungen tatsächlich erfolglos unternommen hat.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2009 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Ihm ist unter Beiordnung von Rechtsanwalt G Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz Sozialgerichtsgesetz - SGG - iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 5. August 2008 gerichtete Klage hat bei der im PKH-Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat sich - was zwischen den Beteiligten im Übrigen nicht streitig ist - am 5. August 2008 arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt (vgl. §§ 118 Abs. 1 Nrn. 2 und 3, 122 Abs. 1, 123, 124 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - SGB III). Er war ab 5. August 2008 aber auch arbeitslos iSv § 119 Abs. 1 SGB III. Denn die insoweit erforderliche Verfügbarkeit (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) scheitert jedenfalls nach dem derzeitigen Sachstand nicht an der fehlenden Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung des Klägers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt die (objektive) Verfügbarkeit von Ausländern den Besitz einer Arbeitserlaubnis nicht voraus. Denn die Arbeitserlaubnis wird erst für die Ausübung einer konkreten Beschäftigung benötigt, nicht aber für die Suche nach einer Beschäftigung. Da Ausländer - wie dies auch bei dem Kläger bis 29. Juli 2008 der Fall war - während einer Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliegen, müssen sie im Falle einer Arbeitslosigkeit auch die Möglichkeit haben, Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Wegen der für eine Beschäftigungsaufnahme erforderliche Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung ist die Verfügbarkeit erst dann zu verneinen, wenn aufgrund einer anzustellenden Prognoseentscheidung feststeht, dass eine solche Erlaubnis oder Berechtigung nicht erteilt werden wird (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1977 - 12 RAr 83/76 = SozR 4100 § 19 Nr 2; Urteil vom 22. November 1977 - 7 RAr 5/77 = SozR 4100 § 103 Nr 10; Urteil vom 9. August 1990 - 7 RAr 120/89 = SozR 3-4100 § 103 Nr 1; Urteil vom 27. August 2008 - B 11 AL 7/07 R - juris). Eine negative Prognoseentscheidung kann nicht allein auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf gestützt werden, sondern setzte auch voraus, dass die Beklagte auf dem gesamten Gebiet der für den Kläger möglichen Tätigkeiten mit Einschluss einer eventuellen Umschulung Vermittlungsbemühungen angestellt hätte (vgl. bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. September 2008 - L 14 B 182/08 AL ER - nicht veröffentlicht).
Letzteres ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Nach dem Vorbringen im Klageverfahren stützt die Beklagte sich lediglich auf die - angeblich gerichtsbekannte - Tatsache, dass hinsichtlich der für den Kläger nach ihrer Auffassung einzig in Betracht kommenden überwiegend einfachen Tätigkeiten als Helfer in verschiedenen Bereichen eine Vielzahl bevorrechtigter Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden hätten bzw. stünden. Dem ist auch das Sozialgericht (SG) gefolgt. Abgesehen davon, dass es sich bei den von der Beklagten behaupteten und vom SG ohne weitere Ermittlungen zugrunde gelegten Tatsachen nicht um allgemeinkundige und damit auch gerichtsbekannte Tatsachen handelt (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 23. Mai 1996 - 13 RJ 75/95 = SozR 3-1500 § 62 Nr 12), was schon daraus erhellt, dass regelmäßig auch in Deutschland zahlreiche polnische Erntehelfer beschäftigt sind und somit ein Bedarf an ausländischen Arbeitskräften auch im ungelernten Bereich nicht von vornherein entfällt (vgl. nur anders für eine Grenzgängerbeschäftigung in einer bestimmten Grenzzone: BSG, Urteil vom 27. August 2008 - B 11 AL 7/07 R -), fehlt es an einer entsprechenden konkreten Betrachtung des Arbeitslosen und des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktbereichs (vgl. hierzu BSG SozR 4100 § 103 Nr 10). Entsprechende Erm...