Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfügbarkeit. Arbeitsberechtigung. Arbeitserlaubnis. Härtegründe
Leitsatz (redaktionell)
1. Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung ist dann zu verneinen, wenn der arbeitslose Ausländer für den Fall einer Beschäftigungsmöglichkeit eine Arbeitsgenehmigung nicht zu erwarten hat.
2. Der Ausschluss der Verfügbarkeit nicht bevorrechtigter ausländischer Arbeitnehmer ist davon abhängig, dass Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit über den Zeitraum von mindestens einem Jahr seit der Arbeitslosmeldung erfolglos geblieben sind. In der Prüfzeit anzustellende Vermittlungsbemühungen müssen nicht zum Angebot von Arbeitsplätzen geführt haben.
3. Die Verfügbarkeit besteht weiter, wenn dem arbeitslosen Ausländer eine Arbeitserlaubnis aus Härtegründen zu erteilen wäre.
4. Es ist eine Prognoseentscheidung zu treffen, weil der Ausländer naturgemäß keine Beschäftigungsstelle hat. Dass die Prognoseentscheidung sich auf eine Arbeitsstelle unter marktüblichen Bedingungen beziehen muss, macht eine solche Prüfung aber nicht unmöglich, sondern ist geradezu Voraussetzung der zu treffenden Prognoseentscheidung.
5. Die für ausländische Arbeitnehmer allgemein gültigen Verhältnisse können einen Härtefall nicht begründen und besondere Verhältnisse nur, wenn sie stärkeres Gewicht haben als der Vorrang der deutschen und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer.
6. Allein der rechtswidrige, wenn auch langjährig geduldete Aufenthalt in Deutschland vermag eine individuelle Härte zugunsten des Ausländers nicht zu begründen, solange noch eine Rückkehrmöglichkeit besteht.
Normenkette
SGB III §§ 286, 285 Abs. 2; ArGV § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Berlin (Urteil vom 28.05.2002; Aktenzeichen S 56 AL 1639/01) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 27. Oktober 2000.
Der 1963 geborene ledige Kläger ist staatenlos und 1978 allein aus dem Libanon in die Bundesrepublik eingereist, um hier einen Asylantrag zu stellen. Aufgrund verschiedener ungelernter Tätigkeiten als Küchenhilfe, Produktionshelfer und Tellerwäscher bewilligte die Beklagte ihm ab dem 18. August 1982 erstmals Arbeitslosengeld (Alg) für 156 Tage (Bescheid vom 23. November 1982). Einem Antrag auf Wiederbewilligung nach zwischenzeitlicher Arbeitsaufnahme vom 12. November 1982 blieb mangels Vorlage der Arbeitgeberbescheinigung der Erfolg versagt (Bescheid vom 17. März 1983). Da er für das Arbeitsamt nach dem Antrag vom 17. Februar 1983 unter keiner der angegebenen Adressen erreichbar und daher nicht verfügbar war, lehnte die Beklagte den Antrag auf Alg erneut ab (Bescheid vom 29. April 1983). Im Oktober 1984 meldete sich der Kläger aus der Jugendstrafanstalt Plötzensee und beantragte die Nachzahlung der ihm zustehenden Leistungen. Dem Begehren blieb der Erfolg versagt (Widerspruchsbescheid vom 26. März 1985).
Am 10. Januar 1990 beantragte der Kläger erneut Alg. Nach den vorgelegten Arbeitsbescheinigungen war er als Pizzabäcker (11. Mai bis 11. Juli 1987) und als Koch (10. Dezember 1988 bis 22. Oktober 1989) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Mit Bescheid vom 20. Februar 1990 bewilligte die Beklagte Alg für 156 Tage. Am 23. Januar 1990 meldete der Kläger sich in Arbeit ab. Ab dem 27. März 1990 erfolgte die Wiederbewilligung (Bescheid vom 19. April 1990). Mit dem 11. September 1990 trat Anspruchserschöpfung ein. Im Anschluss erhielt er Alhi bis zum 23. Oktober 1991 (Ablauf des Bewilligungsabschnitts). Wegen Meldeversäumnissen erfolgte eine Weiterbewilligung erst ab dem 16. Dezember 1991. Am 7. April 1992 erschien der Kläger zu einem Meldetermin nicht bei der Beklagten. Diese stellte eine Säumniszeit fest (Bescheid vom 24. April 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1993) und hob die Leistungsbewilligung auf. In der Folge meldete sich der Kläger nicht mehr bei der Beklagten.
Am 9. März 1999 beantragte der Kläger erneut Alg. Vom 26. November 1994 bis 25. Januar 1999 habe er sich in Strafhaft befunden. Er legte Arbeitsbescheinigungen der Arbeitsverwaltung der Justizvollzugsanstalt Moabit über den Umfang der dort beitrags- bzw. versicherungspflichtig geleisteten Arbeit vor. Die Beklagte prüfte, ob der deutsche Arbeitsmarkt dem Kläger – zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer Duldung, die ihm die Arbeitsaufnahme bei Erteilung einer Arbeitsgenehmigung durch das Arbeitsamt erlaubte – verschlossen sei, konnte Anhaltspunkte dafür zunächst nicht erkennen und bewilligte Alg ab dem 9. März 1999 für eine Anspruchsdauer von 364 Tagen (Bescheid vom 22. April 1999). Ab dem 10. März 2000 trat Anspruchserschöpfung ein. Anschließend bewilligte die Beklagte Alhi bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 9. März 2001 (Bescheid vom 27./28. Januar 2000).
Eine im Juli 2000 eingeleitete Prüfung ergab, dass der deutsche Arbeitsmarkt dem ...