Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Gegenstandswerts bei einem außergerichtlichen Vergleich
Orientierungssatz
1. Eine selbständige Wertfestsetzung für Rechtsanwaltsgebühren ist nur dann vorgesehen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren entweder nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Nur bei gerichtlichen Vergleichen bestimmt sich der für die Gerichtskosten maßgebliche Streitwert nach dessen Inhalt, nicht aber bei außergerichtlichen Vergleichen, § 45 Abs. 4 GKG.
2. Liegt zwischen gerichtlicher und anwaltlicher Tätigkeit keine vollständige Übereinstimmung vor, so sperrt die Bindungswirkung der gerichtlichen Streitwertfestsetzung die weitergehende Wertfestsetzung hinsichtlich des Wertes des überschießenden Vergleichsgegenstandes nach § 33 Abs. 1 RVG nicht.
3. Eine Antragshäufung nach § 22 RVG führt grundsätzlich zu einer Werteaddition. Eine Zusammenrechnung scheidet aber aus, wenn die Anträge gebührenrechtlich denselben Gegenstand betreffen, d. h. von einer wirtschaftlichen Identität auszugehen ist.
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. Januar 2018 geändert.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 46.949,06 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde, mit welcher der Klägerbevollmächtigte einen höheren Vergleichsmehrwert als den vom Sozialgericht festgesetzten begehrt, ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist gegen den Beschluss des Sozialgerichts über die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 33 Abs. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200,00 Euro. Wie der Klägerbevollmächtigte nachvollziehbar dargelegt hat, kann ein Gegenstandswert in Höhe von 46.949,06 Euro im Vergleich zu dem vom Sozialgericht festgesetzten Wert in Höhe von 41.949,06 Euro nach seiner Gebührenberechnung zu einer Erhöhung seiner erstrebten Gebühren um bis zu 315,72 Euro führen (5.712,00 Euro im Vergleich zu 5.369,28 Euro). Auf die Frage, ob und inwieweit bei der Berechnung seines Gebührenanspruchs zu berücksichtigen sein wird, dass er in einer Vielzahl von vergleichbaren Verfahren tätig wurde, so dass erhebliche Synergieeffekte zu prüfen sein dürften, kommt es für den Beschwerdewert nicht an. Die Beschwerde ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts (am 08. März 2018) am 19. März 2018 erhoben.
2. Die Beschwerde ist begründet. Der Bevollmächtigte hat Anspruch auf Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes unter zusätzlicher Berücksichtigung des Auffangstreitwertes. Nach § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest. Einen solchen Antrag hat der Bevollmächtigte am 21. Juli 2017 gestellt, auch die übrigen Voraussetzungen für eine selbständige Wertfestsetzung sind erfüllt. Eine (selbständige) Wertfestsetzung für Rechtsanwaltsgebühren ist nur dann vorgesehen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren entweder nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Im Fall der Klägerin fehlt es hinsichtlich des Vergleichs, der zur Beendigung des Klageverfahrens führte, an einem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert. Gemäß § 32 Abs. 1 RVG ist für die Festsetzung der Gebühren des Rechtsanwalts grundsätzlich der für die Gerichtsgebühren maßgebende gerichtlich festgesetzte Wert bestimmend (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 23 RVG). Für das Klageverfahren selbst wurde nach § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 34 und § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) der Streitwert mit Beschluss des Sozialgerichts vom 21. Juli 2017 ausgehend von dem von der Klägerin mit der Klage verfolgten Zahlungsanspruch festgesetzt (in Höhe von 18.360,29 Euro). Die dagegen erhobene Beschwerde des Bevollmächtigten blieb erfolglos (Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 10. November 2017, L 1 KR 386/17 B). Der Streitwert erfasste nicht den Wert des Vergleichs, der zur Beendigung des Klageverfahrens führte. Der für die Gerichtskosten maßgebliche Streitwert bestimmt sich nur bei gerichtlichen Vergleichen nach dessen Inhalt, nicht aber bei außergerichtlichen Vergleichen (§ 45 Abs. 4 GKG, NK-ArbR/Stefan Müller, 1. Aufl. 2016, GKG § 45 Rn. 31; Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, GKG § 45 Rn. 34; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Januar 2019, L 1 KR 275/18 B; a.A. Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, § 45 GKG Rn. 50). Die Beteiligten des Klageverfahrens haben einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen, der auch nichtrechtshängige Ansprüche einbezog. Liegt zwischen gerichtlicher und anwaltlicher Tätigkeit keine vollständige Übereinstimmung vor, sperrt die Bindungswirkung der gerichtlichen Streitwertfestsetzung die weitergehende Wertfestsetzung hinsichtlich des Werte...