Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht des Grundsicherungsberechtigten zur Verwertung seines Miterbenanteils an einem Grundstück zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zu den Vermögensgegenständen, welche in die Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach §§ 9, 12 SGB 2 einzubeziehen sind, gehört auch der Anteil an einem Nachlass, über den der Hilfebedürftige nach § 2033 Abs. 1 BGB verfügen kann. Eine bloß theoretisch in Betracht kommende Verwertungsvariante des Nachlasses durch Verkauf oder Verpfändung genügt nicht, um von einer Verwertbarkeit i. S. des § 12 Abs. 1 SGB 2 auszugehen.

2. Hierzu bedarf es neben der Ermittlung des Verkehrswerts bei einem Grundstück, ob ein potentieller Käufer für dieses Erbteil existiert.

3. Die Verwertbarkeit hängt davon ab, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen (BSG Urteil vom 27. 1. 2009, B 14 AS 42/07 R).

4. Es besteht ein Markt für Erbanteilskäufe. Verweigert der Hilfebedürftige die gerichtliche Erbauseinandersetzung, so bewirkt dies nicht die Unverwertbarkeit des Vermögens.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 29. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Es besteht ungeachtet dessen, dass derzeit mangels hinreichender Sachverhaltsaufklärung nicht abschließend zu beurteilen ist, ob der Antragsteller hilfebedürftig ist, jedenfalls derzeit kein unaufschiebbares Regelungsbedürfnis für die begehrte, auf Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweisen Gewährung von Regelleistungen (Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung macht der Antragsteller ausdrücklich nicht geltend) nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit ab 1. September 2018 bis 31. Dezember 2019 vgl Antragsschrift) gerichtete einstweilige Anordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Für die Zeit bis zum Antragseingang (18.Oktober 2019) folgt dies schon daraus, dass die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für zurückliegende Zeiträume im Eilrechtsverfahren, das der Beseitigung gegenwärtiger Notlagen dient, regelmäßig nicht in Betracht kommt.

Im Übrigen gilt Folgendes: Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 iVm § 9 Abs. 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern kann, und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 12 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen; dazu können bewegliche Sachen ebenso gehören wie Immobilien und Forderungen. Als Verwertungsmöglichkeiten kommen hier die Veräußerung oder die Verpfändung des Erbteils des Antragstellers (Miteigentumsanteil am Grundstück und Kontoguthaben des Erblassers), der Verkauf des Hausgrundstücks sowie die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in Betracht. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II sind als Vermögen allerdings nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Nach § 9 Abs. 4 SGB II ist schließlich hilfebedürftig auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. Ist eine sofortige Verwertung eines Vermögensgegenstandes nicht möglich, sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen (§ 24 Abs. 5 Satz 1 SGB II); die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird (§ 24 Abs. 5 Satz 2 SGB II).

Zu den Vermögensgegenständen, die vorliegend in die Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach §§ 9, 12 SGB II einzubeziehen sind (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 42/07 R = SozR 4-4200 § 12 Nr. 12), gehören der Anteil an dem Nachlass, über den der Kläger (allein) nach § 2033 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verfügen kann, der Miteigentumsanteil an dem in Rede stehenden Grundstück und dem Kontoguthaben in ungeteilter Erbengemeinschaft und der Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (§§ 2042 ff Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen un...

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