Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen zur privaten Kranversicherung. Folgenabwägung. Aufwendungen zur privaten Krankenversicherung führen bei einem ALG-II-Bezieher zu einer Regelungslücke

 

Orientierungssatz

Bei einem privatversicherten Arbeitslosengeld II-Bezieher, der auch ohne die Notwendigkeit der Zahlung des Beitrags zur privaten Krankenversicherung hilfebedürftig ist, wird der Beitrag (nach dem Basistarif) bei Hilfebedürftigkeit halbiert. Der Grundsicherungsträger hat allerdings nur den Betrag zu zahlen, der für einen Arbeitslosengeld-II-Bezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Damit kommt es bei einem Einpersonenhaushalt regelmäßig zu einer beträchtlichen Deckungslücke. Es spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber eine dahingehende Deckungslücke in Kauf genommen hat.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2009 geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 01. Januar 2010 bis 30. Juni 2010, längstens bis zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers, monatlich 160,50 € darlehensweise für die Aufwendungen zur privaten Krankenversicherung zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens beider Instanzen zu erstatten. Kosten für die Beschwerde bezüglich der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2009, mit dem dieses es abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, einen (weiteren) Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 160,50 € monatlich und zur Pflegeversicherung in Höhe von 13,47 € monatlich zu zahlen, ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist in dem tenorierten Umfang begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der Antragsteller hat Anspruch auf Gewährung eines Darlehens in Höhe der Differenz zwischen dem vom Antragsgegner gezahlten Zuschuss zur Krankenversicherung und der tatsächlichen Höhe des Beitrages, also von 160,50 € monatlich (284,82 € Beitrag minus 124,32 € Zuschuss).

Ein Anordnungsgrund ist vorliegend gegeben. Es ist für den Antragsteller von besonderer Bedeutung, dass ausreichender Krankenversicherungsschutz besteht und er die optimale gesundheitliche Versorgung erhält. Gleichzeitig steht dies auch im öffentlichen Interesse, da die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers, der vor deren Eintritt als selbständiger Malermeister tätig war, allein auf der Tatsache beruht, dass er zurzeit aufgrund eines Arbeitsunfalles nicht arbeitsfähig ist. Gleichzeitig ist es dem Antragsteller nicht möglich, längere Zeit die Differenz zwischen dem Krankenversicherungsbeitrag und dem vom Antragsgegner gezahlten Zuschuss in Höhe von 160,50 € monatlich aus dem Regelsatz zu begleichen. Insofern besteht eine Bedarfsunterdeckung. Er ist auch nicht in der Lage, die Beiträge übergangsweise, z.B. aus einem Schonvermögen, aufzubringen. Er hat glaubhaft gemacht, dass sein Konto bereits mit ca. 8.000 € im Soll steht und anderweitige Geldbeträge nicht zur Verfügung stehen.

Ob ein Anordnungsanspruch gegeben ist und auf welcher Rechtsgrundlage er gegebenenfalls beruht, lässt sich im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beantworten. Es spricht einiges dafür, dass eine Rechtsgrundlage tatsächlich nicht existiert und der Gesetzgeber eine Deckungslücke in Kauf genommen hat (vgl. Brünner in LPK-SGB II, 3. Auflage 2009 § 26 Rn. 21ff). Der Fall eines privatversicherten Arbeitslosengeld II-Beziehers, der auch ohne die Notwendigkeit der Zahlung des Beitrags zur privaten Krankenversicherung hilfebedürftig ist, ist in § 12 Abs. 1 c Satz 6 in Verbindung mit Satz 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) geregelt. Danach wird der Beitrag (nach dem Basistarif) bei Hilfebedürftigkeit halbiert. Der Grundsicherungsträger hat allerdings nur den Betrag zu zahlen, der für einen Arbeitslosengeld-II-Bezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (zur Berechnung für das Jahr 2009 vgl. Klerks, Der Beitrag für die private Krankenversicherung im Basistarif bei hilfebedürftigen Versicherungsnehmern nach dem SGB II und dem SGB XII, info also 2009, S. 153 [156/157]). Damit kommt es bei einem Einpersonenhausha...

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