Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache

 

Orientierungssatz

1. Die Berufung ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Das ist dann der Fall, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt und im konkreten Rechtstreit klärungsbedürftig und klärungsfähig ist.

2. § 11 Abs. 3 S. 2 SGB 2 regelt die Anrechnung zufließender einmaliger Einnahmen. Dabei handelt es sich um eine vom Zuflussprinzip abweichende normative Zuordnung, die nach dem Wortlaut zwingend ist.

3. Weil sich die Auslegung der Anrechnung einer einmaligen Einnahme auf Leistungen des SGB 2 unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, ist die Berufung mangels einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage nicht zulässig.

 

Normenkette

SGG § 144 Abs. 2 Nr. 1, § 193 Abs. 1; SGB II § 11 Abs. 2 Sätze 1, 3, Abs. 3 S. 2

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 29. Februar 2012 von insgesamt 2,66 Euro und für März 2012 von 80,16 Euro.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 30. September 2016 die Klage abgewiesen: Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ergebe sich kein um 2,66 Euro höherer Anspruch für die Monate Januar und Februar 2012 aufgrund des Arbeitgeberanteils der vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von monatlich 13,30 Euro. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 9. November 2010 (B 4 AS 7/10 R) entschieden, dass der Beitragszuschuss des Arbeitgebers im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, der nicht vom Entgelt des Arbeitnehmers, sondern vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer direkt an die Pensionskasse abgeführt werde, eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II sei, die nicht als Einkommen berücksichtigt werde. Dadurch, dass es sich erst gar nicht um berücksichtigungsfähiges Einkommen handele, könne es weder bei dem Brutto- noch beim Nettogehalt berücksichtigt werden, sondern falle komplett bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens heraus. Diese Wertung sei auch für den streitgegenständlichen Zeitraum übertragbar. Hinsichtlich des Urlaubsgeldes, das der Klägerin zu 2 im März 2012 zugeflossen sei, handele es sich um Einkommen, das im Zuflussmonat zu berücksichtigen gewesen sei. Es habe hierbei offenbleiben können, ob es sich bei dem Urlaubsgeld um eine einmalige Einnahme oder laufendes Einkommen handele, denn auch bei einer einmaligen Einnahme habe der Beklagte das Urlaubsgeld im Zuflussmonat anrechnen können. So habe das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 25. Juni 2014 - L 2 AS 2373/13 - entschieden: Der wesentliche Zweck der Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II bestehe in der Verwaltungsvereinfachung bei der Berücksichtigung von Einkommen. Sie komme dann zur Anwendung, wenn dieser Zweck erreicht werden könne. In all den Fällen, in denen der Zufluss einer Einnahme der Verwaltung erst zu einem Zeitpunkt bekannt werde, zu dem eine Berücksichtigung für den Folgemonat nicht mehr möglich sei, verbleibe es bei den allgemein gültigen Regelungen, insbesondere dem Zuflussprinzip, und der Rückabwicklung in Form eines Rücknahme- bzw. Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens. Die Kammer schließe sich dem an.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Diese Rechtsfrage muss im konkreten Rechtsstreit klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 144 Rdnr. 28; Kummer, Neue Zeitschrift für Sozialrecht [NZS] 1993, 337, 341/342). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, soweit sie im Falle der Zulassung der Berufung insbesondere entscheidungserheblich wäre (vgl. auch Bundessozialgerichts - BSG -, Beschlüsse vom 29. November 2006 - B 6 KA 23/06 B, vom 27. Juli 2006 - B ...

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