Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der dreißigjährigen Verjährung von Sozialversicherungsbeiträgen

 

Orientierungssatz

1. Nach § 25 Abs. 2 SGB 4 ist die Verjährung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt. Die Hemmung tritt ein mit dem Beginn der Prüfung beim Arbeitgeber. Die bloße Ankündigung einer Betriebsprüfung ist nicht gleichzeitig deren Beginn. Die Hemmung setzt nach Abs. 2 S. 5 des § 25 SGB 4 bereits an dem vom Versicherungsträger in seiner Prüfungsankündigung ursprünglich bestimmten Tag ein, wenn es aus Gründen, welche die zu prüfende Stelle nicht zu vertreten hat, zu einem späteren Beginn der Prüfung kommt.

2. Die Verjährungsfrist von dreißig Jahren nach § 25 Abs. 1 S. 2 SGB 4 gilt für die vorsätzliche Vorenthaltung von Beiträgen. Ausreichend für die Geltung der langen Verjährungsfrist ist, dass der Beitragsschuldner während des Ablaufs der regelmäßigen Verjährungsfrist von vier Jahren bösgläubig geworden ist.

3. Hierzu muss der innere Tatbestand des Vorsatzes bezogen auf die konkreten Verhältnisse und den konkreten Beitragsschuldner festgestellt werden. Eine Veröffentlichung der Entscheidung des BAG zur mangelnden Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen vom 14. 12. 2010 - 1 ABR 19/10 - reicht hierzu nicht aus. Die Veröffentlichung ersetzt den Nachweis positiver Kenntnis dieser Entscheidung nicht. Eine unterlassene Kenntnisnahme reicht nicht zur Annahme des bedingten Vorsatzes aus.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2013 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. August 2013 wird angeordnet, soweit er sich gegen eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007 richtet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.882,66 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen eine Beitragsnachforderung nach einer Betriebsprüfung.

Die Antragstellerin betreibt Arbeitnehmerüberlassung. In den Jahren 2007 bis 2009 entlohnte sie ihre Arbeitnehmer auf der Grundlage der von der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen geschlossenen Tarifverträge.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 21. August 2013 Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 in Höhe von 85.277,72 € nach. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen festgestellt. Daraus folge die Unwirksamkeit der von dieser Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge, welche zu höheren Lohn- und damit auch Beitragsansprüchen führe.

Die Antragstellerin legte Widerspruch ein und hat beim Sozialgericht Berlin die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Diesen Antrag hat das Sozialgericht durch Beschluss vom 31. Oktober 2013, der Antragstellerin zugestellt am 6. November 2013, abgelehnt. Mit der am 6. Dezember 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin weiter die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, begrenzt auf Beitragsnachforderungen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007. Insoweit macht sie insbesondere Verjährung geltend.

II.

Die auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs für Beitragszeiträume vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007 beschränkte Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. August 2013 hat nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil in dem Bescheid Beiträge nachgefordert werden. Anzuordnen ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs in den Fällen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG jedenfalls dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen (Vgl. etwa Beschluss des LSG Schleswig-Holstein v. 25. Juni 2012 - L 5 KR 81/12 B ER - juris Rn 14). Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit der Vorschrift des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG. In diesen Fällen ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht anzuerkennen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheid vom 21. August 2013 erhobenen Beitragsnachforderung bestehen insoweit, als die Antragsgegnerin Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007 fordert. Nach Auffassung des Senats spricht zurzeit alles dafür, dass die Beitragsforderungen für diesen Zeitra...

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