Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Nichtzulassungsbeschwerde im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 144 SGG ist nur auf die Nichtzulassung einer Berufung, nicht aber auf die Nichtzulassung einer Beschwerde anwendbar. Maßstab für die Statthaftigkeit der Beschwerde ist ausdrücklich die hypothetische Zulässigkeit der Berufung in der Hauptsache.
2. Nach dem gesetzgeberischen Willen soll die Privilegierung von Rechtsschutzmöglichkeiten im Beschwerdeverfahren gegenüber dem Hauptsacheverfahren entfallen.
3. Die Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG sind auf den einstweiligen Rechtsschutz nicht zugeschnitten und deshalb auch auf ihn nicht übertragbar. Grundsätzliche Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat nicht die vorläufige Regelung im einstweiligen Rechtsschutz, sondern nur der ihr zugrunde liegende Anspruch in der Hauptsache.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2009 wird, soweit damit der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, als unzulässig verworfen.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Antragsverfahren wendet, wird sie aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht statthaft; sie war deswegen als unzulässig zu verwerfen, soweit das Sozialgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abgelehnt hat. Im Übrigen ist sie aus den vom Sozialgericht im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen unbegründet.
Nach § 172 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden und hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 b) und Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) ist die Beschwerde ausgeschlossen,
1. in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre,
2. gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
3. gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG,
4. gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 2 SGG, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.
Hier liegt ein die Beschwerde ausschließender Fall von § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG vor, denn die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegner zur Übernahme von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 38,00 € monatlich für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009 zu verpflichten. Dieser Betrag erreicht nicht den Beschwerdewert von 750,00 € (38,00 € x 6 Monate=228,00 €).
Ausnahmen hat der Gesetzgeber zu § 172 Abs. 3 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung nicht zugelassen. Insbesondere liegen auch die Voraussetzungen für eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG nicht vor.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der oben näher bezeichneten Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss durch das Landessozialgericht, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- und Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Wortlaut der Vorschrift macht schon hinreichend deutlich, dass § 144 SGG “nur„ auf die Nichtzulassung einer Berufung, nicht aber auf die Nichtzulassung einer Beschwerde anwendbar ist.
Eine entsprechende Anwendung dieser Norm auf das Beschwerdeverfahren würde im Übrigen im Widerspruch zum Gesetzeszweck des § 172 Abs. 3 SGG stehen und kommt hier deswegen nicht in Betracht. Ziel des Gesetzes vom 26. März 2008 (a. a. O.) ist nämlich u. a. eine nachhaltige Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit durch Vereinfachung und Straffung des sozialgerichtlichen Verfahrens (BT-Drs. 16/7716 S. 12 f.). Danach wurde die Beschwerde ausgeschlossen bei wirtschaftlich nicht relevanten Kostengrund- und sonstigen Nebenentscheidungen sowie in Verfahren des einstweiligen Rechtssc...