Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdrentenrecht. Spätaussiedler. Zusammentreffen von eigener Rente mit Hinterbliebenenrente. Begrenzung der Entgeltpunkte. rückwirkende Rechtsänderung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die in § 22b Abs 1 S 1 FRG idF des RVNG vom 21.7.2004 getroffene Begrenzungsregelung ist verfassungsgemäß (vgl BSG vom 21.6.2005 - B 8 KN 9/04 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 5, BSG vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R = SozR 4-5050 § 22b Nr 4, BSG vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R und BSG vom 5.10.2005 - B 5 RJ 39/04 R).
2. Das Verbot der echten Rückwirkung kann ausnahmsweise durchbrochen werden, wenn sich bei den Betroffenen kein schutzwürdiges Vertrauen bilden konnte. Das ist etwa dann der Fall, wenn das geltende Recht unklar und verworren war, sodass eine baldige Klärung erwartet werden musste (vgl BVerfG vom 23.3.1971 - 2 BvL 2/66 ua = BVerfGE 30,367, BVerfG vom 8.6.1977 - 2 BvR 499/74 ua = BVerfGE 45, 142, BVerfG vom 17.1.1979 - 1 BvR 446/77 ua = BVerfGE 50, 177 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8, BVerfG vom 14.5.1986 - 2 BvL 2/83 = BVerfGE 72, 200).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin beansprucht die Zahlung ihrer Witwenrente neben ihrer Altersrente ohne Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte gemäß § 22 b des Fremdrentengesetzes (FRG).
Die im Februar 1942 geborene Klägerin ist die Witwe des ... 1937 geborenen und 1976 verstorbenen Versicherten B K. Die Eheleute lebten von Geburt an in der ehemaligen Sowjetunion und waren dort versicherungspflichtig beschäftigt. Die Klägerin übersiedelte am 19. Mai 1997 nach Deutschland und ist als Spätaussiedlerin im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt. Die Beklagte gewährte ihr mit Bescheid vom 17. Dezember 1997 ab 19. Mai 1997 große Witwenrente. Dabei wurden zur Ermittlung der zu zahlenden Rente von insgesamt 27,9498 Entgeltpunkten für anrechenbare Zeiten nach dem FRG 25 Entgeltpunkte berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 08. März 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen, beginnend am 01. Mai 2004. Dieser Rente liegen 23,7545 Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zugrunde.
Mit Bescheid vom 22. März 2004 änderte die Beklagte den Bescheid vom 17. Dezember 1997 und stellte die Witwenrente mit Wirkung vom 01. Mai 2004 wegen Berücksichtigung der Altersrente als Einkommen und unter Berücksichtigung des § 22 b FRG der Höhe nach neu fest. Sie berücksichtigte für die zu zahlende Rente nur noch 1,2455 Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin die Weiterzahlung der Witwenrente in bisheriger Höhe geltend und verwies zur Begründung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R in SozR 3 - 5050 § 22 b Nr. 2). Die Beklagte beschied den Widerspruch (zunächst) nicht.
Am 18. November 2004 hat die Klägerin beim Sozialgericht - SG - Berlin Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe über den Widerspruch ohne erkennbaren Grund nicht entschieden. Der angefochtene Bescheid sei auch in der Sache rechtswidrig. Für eine Gesamtbegrenzung der eigenen Versichertenrente und der Hinterbliebenenrente auf 25 Entgeltpunkte finde sich keine gesetzliche Grundlage, wie aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung feststehe. Auch die neue Fassung des § 22 b FRG stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen.
Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben und hat mit dem während des Klageverfahrens erlassenen Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2004 den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie die Neufassung des § 22 b FRG auch im vorliegenden Verfahren zu beachten habe.
Das SG hat der Aufrechterhaltung der Klage eine (zulässige) Klageänderung entnommen in der Weise, dass sich die Klägerin nunmehr mit der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 22. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2004 wendet. Die so verstandene Klage hat das SG mit Urteil vom 26. April 2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der Witwenrente ohne die vorgenommene Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte und sie habe auch keinen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Begrenzung der Witwenrente auf 15 Entgeltpunkte. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der von der Klägerin geltend gemachten Auslegung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG nach Maßgabe des Urteils des BSG vom 30. August 2001 aaO; bestätigt durch Urteil vom 21. März 2003 - B 13 RJ 44/03 R) sei nicht zu folgen (Hinweis auf LSG Berlin, Urteil vom 17. September 2004 - L 5 RA 74/03 - und LSG Nordrhein-Westfahlen, Urteil vom 30. Juli 2003 - L 8 RJ 64/03). Dieses Normverständnis habe entsprochen und entspreche dem ausdrücklichen Willen des Gesetz...