Entscheidungsstichwort (Thema)

Interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds. Kostenerstattung. ambulante statt stationäre Krankenbehandlung. Systemversagen. zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Arzt. Neue Behandlungsmethode. Positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Verfahrensdauer. Prostatakarzinom. Auslegung eines Antrags. Medizinische Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung. Zivilrechtliche Zahlungsverpflichtung. Unaufschiebbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB 5 setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist die betreffende Therapie nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat.

2. Die interstitielle Brachytherapie nach Nr. 7046 EBM-Ä hat nur eine kurzzeitige Anwendung von radioaktivem Material im Körpergewebe zum Gegenstand, nicht aber auch eine solche, bei der die Stoffe lebenslang im Körper des Patienten verbleiben. Sie wird deshalb nicht von Nr. 7046 EBM-Ä erfasst.

3. Ein Kostenerstattungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens ist nicht herzuleiten, weil eine pflichtwidrige Verzögerung des Genehmigungsverfahrens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht nachweisbar ist.

4. Ein Anspruch des Versicherten auf eine für ihn kostenfrei durchzuführende stationäre Brachytherapie besteht nur dann, wenn sie aus medizinischen Gründen stationär durchgeführt werden muss. Dies setzt das Bestehen von Begleiterkrankungen beim Versicherten voraus.

 

Normenkette

SGB V § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 3 S. 1, § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 39 Abs. 1 S. 2, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 135 Abs. 1 S. 1, § 137c; EBM-Ä Nr. 7046

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für eine interstitielle Brachytherapie mit implantierten Permanent Seeds in Höhe von 8.275,- €.

Der 1936 geborene Kläger beantragte im September 2003 unter Vorlage eines Schreibens “Kostenvoranschlag für die permanenten Seed-Implantation der Prostata„ seiner behandelnden Fachärzte für Urologie Dr. H und Dr. K vom 8. Juli 2002 die Übernahme der Kosten für eine interstitielle Brachytherapie. Bei dieser Behandlungsmethode werden radioaktive Jod-Teilchen in den Körper eingebracht und verbleiben dort lebenslang, um einen Tumor vor Ort zu bestrahlen. In dem Schreiben der behandelnden Ärzte wird ausgeführt, es bestehe bei dem Kläger ein Prostatakrebs im Anfangsstadium (T1c, PSA max 3,95; Gleason 5,3 von 12 Stanzen positiv); es seien keine Metastasen nachweisbar. Eine radikale Prostatektomie lehne der Versicherte wegen hoher Komplikationsraten ab. Von den weiteren vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten - externe Bestrahlung, komplette Androgenblockade und interstitielle Brachytherapie - sei die Monotherapie des Prostatakarzinoms mit Seeds zwingend die Therapie der Wahl. Die Kosten beliefen sich auf 8.275,- €. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheiden vom 8. September 2003 und 8. Oktober 2003 ab, da eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) insoweit nicht bestehe.

Am 10. September 2003 ließ der Kläger die Behandlung durch die Dres. K und H durchführen.

Den gegen den Ablehnungsbescheid eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die begehrte Therapie sei nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Es handele sich um eine neue Behandlungsmethode, die nur dann zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfe, wenn die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien eine Empfehlung über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung abgegeben haben. Eine derartige Empfehlung gebe es jedoch nicht. Auch gebe es nach einer Stellungnahme des “Kompetenz Centrums Onkologie„ des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 23. Juli 2002 Hinweise darauf, dass die begehrte Therapie die Lebensqualität nicht - wie bisher angenommen - steigere. Ein Leistungsanspruch ergebe sich auch nicht daraus, dass in anderen Fällen zu Unrecht Kosten übernommen worden seien.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, es handele sich um eine Vertragsleistung nach Ziffer 7046 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). Auch sei die interstitielle Brachytherapie ...

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