Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung. Kostenerstattungsanspruch für selbst beschaffte ambulante ärztliche Behandlung einer Interstitiellen Brachytherapie mit Permanent Seeds. Notwendigkeit der Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Systemversagen
Orientierungssatz
1. Die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds als "neue" Behandlungsmethode unterliegt dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
2. Die betreffende Therapie ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V legen auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest.
3. Es ist nicht gerechtfertigt, bei komplexen Leistungen allein wegen einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren auf ein "Systemversagen" im Sinne einer unsachgemäßen Verfahrensweise des GBA zu schließen.
4. Krankenhausbehandlung ist nicht bereits deshalb erforderlich, weil eine bestimmte Leistung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zwar ambulant erbracht werden kann, vertragsärztlich aber mangels positiver Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung geleistet werden darf (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) von 28. April 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für eine interstitielle Brachytherapie mit implantierten Permanent Seeds in Höhe von 8.275,- €.
Der 1950 geborene Kläger beantragte im Dezember 2003 unter Vorlage eines Schreibens “Kostenvoranschlag für die permanenten Seed-Implantation der Prostata„ seiner behandelnden Fachärzte für Urologie Dr. H und Dr. K vom 10. Dezember 2003 die Übernahme der Kosten für eine interstitielle Brachytherapie. Bei dieser Behandlungsmethode werden radioaktive Jod-Teilchen in den Körper eingebracht und verbleiben dort lebenslang, um einen Tumor vor Ort zu bestrahlen. In dem Schreiben der behandelnden Ärzte wird ausgeführt, es bestehe bei ihm ein Prostatakrebs im Anfangsstadium (T1c, PSA max 8,9; Gleason 5,2 von 6 Stanzen positiv); es seien keine Metastasen nachweisbar. Eine radikale Prostatektomie lehne der Versicherte wegen hoher Komplikationsraten ab. Von den weiteren vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten - externe Bestrahlung, komplette Androgenblockade und interstitielle Brachytherapie - sei die Monotherapie des Prostatakarzinoms mit Seeds zwingend die Therapie der Wahl. Die Kosten beliefen sich auf 8.275,- €. Nach Einholung von Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) vom 29. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 11. Februar 2004 ab.
Am 13. Februar 2004 ließ der Kläger die Behandlung durch die Dres. H und K durchführen. Diese stellten hierüber am 9. November 2004 eine spezifizierte Rechnung über 8.275,- € aus.
Den gegen den Ablehnungsbescheid unter Vorlage eines Attestes der Dres. H und K vom 23. Februar 2004 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten nach Einholung weiterer Stellungnahmen des MDK mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2004 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die begehrte Therapie sei nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Es handele sich um eine neue Behandlungsmethode, die nur dann zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfe, wenn die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien eine Empfehlung über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung abgegeben haben. Eine derartige Empfehlung gebe es jedoch nicht.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, es handele sich um eine Vertragsleistung nach Ziffer 7046 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). Auch sei die interstitielle Brachytherapie im Ergebnis kostengünstiger als die anderen Behandlungsmethoden. Sie entspreche dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hätte sich längst zu der Behandlungsmethode äußern müssen. Es liege eine Ungleichbehandlung gegenüber den Versicherten vor, bei denen die Therapie im Rahmen einer stationären Behandlung durchgeführt worden sei. In solchen Fällen würden die Kosten durch die Krankenkassen getragen.
Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat zunächst Auskünfte der Ärzte ...