Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds. ambulante statt stationäre Krankenbehandlung. Systemversagen. zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Arzt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung liegt nicht allein deshalb vor, weil der Gemeinsame Bundesausschuss das Verfahren zu einem eine komplexe Leistung betreffenden Beratungsthema nach 3 Jahren noch nicht abgeschlossen hat.

2. Ein Patient, der von seinem Arzt pflichtwidrig ambulant behandelt wurde, obwohl eine stationäre Behandlung notwendig gewesen wäre, kann dessen Vergütungsanspruch einen Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe entgegen halten.

 

Orientierungssatz

1. Die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds ist eine "neue" Behandlungsmethode, für die es zu dem für die Beurteilung der Leistungsansprüche des Versicherten maßgeblichen Zeitpunkt (hier: 2/2005) an der erforderlichen positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses fehlte.

2. Dass die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds in der stationären Versorgung zu den von einer Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehören kann, führt nicht zur Leistungspflicht für eine entsprechende ambulant oder belegärztlich (durch Vertragsärzte) vorgenommene Therapie.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für eine interstitielle Brachytherapie mit implantierten Permanent Seeds in Höhe von 8.275,00 €. Bei dieser Behandlungsmethode werden radioaktive Jod-Teilchen in den Körper eingebracht und verbleiben dort lebenslang, um einen Tumor vor Ort zu bestrahlen.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2005, bei der Beklagten am folgenden Tag eingegangen, beantragten die ihn behandelnden Urologen Dr. H und Dr. K die Kostenübernahme für eine interstitielle Brachytherapie des 1932 geborenen Klägers in Höhe von 8.275,00 €. Nach Angaben dieser Ärzte litt der Kläger damals an Prostatakrebs im Anfangsstadium ohne nachweisbare Metastasen, Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Angina pectoris und Asthma; auch ein Lungenlappen sei ihm bereits entfernt worden. Aufgrund dieser Erkrankungen sei eine radikale Prostatektomie nicht möglich; darüber hinaus lehne der Kläger diese Behandlungsmethode aufgrund der hiermit verbundenen (näher beschriebenen) Komplikationen ab. Im Vergleich zur ebenfalls möglichen externen Bestrahlung der Prostata sei die Monotherapie des Prostatakarzinoms mit Seeds zwingend die Therapie der Wahl für den Kläger. Nachdem die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK - veranlasst hatte, lehnte sie den Antrag des Klägers “auf Kostenübernahme/Kostenerstattung für die gewünschte privatärztliche Behandlung„ ab (Bescheid vom 28. Februar 2005). Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2005 zurück, da die vom Kläger gewünschte Behandlung nicht zu den Methoden gehöre, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in die für die Beklagten verbindlichen Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethode (BUB-Richtlinien) aufgenommen worden seien. Weder ein Systemversagen noch eine unaufschiebbare Leistung lägen vor. Im Übrigen fehle es an einer vertragsärztlichen Verordnung.

Unter dem 13. Mai 2005 trafen der Kläger einerseits und Dres. H und K andererseits folgende Honorarvereinbarung:

“nach Aufklärung und Beratung wünsche ich die Vorbereitung der Permanent Seed Implantation, den operativen Eingriff und die Nachbetreuung durch die Dres. H und K als Privatpatient (Selbstzahler). Damit verpflichte ich mich, den lt. Kostenvoranschlag anfallenden Betrag von ca. 8.275,- € (nach der Gebührenordnung für Ärzte GOÄ) in voller Höhe zu begleichen, unabhängig von der Höhe der Erstattung oder Bezuschussung durch den Kostenträger.„

Für die am 17. Mai 2005 durchgeführte Behandlung stellten Dres. H und K dem Kläger unter dem 23. Mai 2005 einen Betrag von 8.275,00 € in Rechnung; wegen der Einzelheiten dieser Rechnung wird auf Blatt 14 - 16 der Gerichtsakte verwiesen. Bis zum 2. August 2005 hatte der Kläger die Rechnung teilweise beglichen.

Mit seiner Klage brachte der Kläger vor, bei der interstitiellen Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation handele es sich um eine Vertragsleistung, die gemäß Ziffer 7046 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen gewesen sei. Im Vergleich zur radikalen Prostatektomie sei diese Behandlungsmethode kostengünstiger; Nebenwirkungen wie Impotenz oder Inkontinenz träten erheblich seltener auf. Die Behandlung durch externe Bestrahlung ziehe sich über 6 bis 8 Wochen hin und sei somit gegenüber der interstitiellen Brachytherapie kaum günstiger. Nachdem der Antrag auf An...

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