Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsanspruch bei Strafhaft. JVA als stationäre Einrichtung im Sinne des Grundsicherungsrechts

 

Orientierungssatz

1. Bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistungen zur Grundsicherung während einer Inhaftierung in einer JVA fehlt es jedenfalls dann im einstweiligen Rechtschutzverfahrens an einem Anordnungsgrund, wenn die Inhaftierung länger als sechs Monate dauert, da während der Haftzeit das elementare Existenzminimum gesichert ist.

2. Der in § 7 Abs. 4 SGB 2 - in der bis 1. August 2006 geltenden Fassung - geregelte Leistungsausschluss für die Dauer einer Unterbringung in einer stationären Einrichtung ist auch auf eine Inhaftierung in einer JVA anzuwenden, auch wenn der Betroffene einer Außenbeschäftigung nachgehen kann oder auf Freigang ist (Fortführung: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2006, L 19 B 327/06 AS ER).

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller macht in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) geltend.

Der am 1975 geborene Antragsteller verbüßte in der Zeit vom 20. Juli 2005 bis zum 7. Juli 2006 Haftstrafen im offenen Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt (JVA) H. Als Vollstreckungsende war der 26. Februar 2007 vorgesehen gewesen. Er war im sogenannten Außenkommando tätig und erzielte dort im Februar 2006 Einkünfte in Höhe von 229,31 Euro netto. Davon wurden 131,03 Euro als Überbrückungsgeld einbehalten. Im März 2006 wurde von den Einkünften in Höhe von 263,70 Euro netto ein Betrag von 61,04 Euro als Überbrückungsgeld einbehalten. Der Antragsteller ist seit Oktober 2005 bei Frau S K, die Leistungen nach dem SGB II für sich und ihr minderjähriges Kind erhält, gemeldet. Diese teilte dem Antragsgegner am 13. Oktober 2005 mit, die Anzahl der Personen der Bedarfsgemeinschaft habe sich ab dem 7. Oktober 2005 geändert, und der bei ihr eingezogene Antragsteller verfüge über kein eigenes Einkommen.

Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 15. November 2005 den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab. Der dagegen vom Antragsteller eingelegte Widerspruch wurde von dem Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, die Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung seien vollstationären Einrichtungen gleichgestellt und im Zeitpunkt der Einweisung des Antragstellers sei abzusehen gewesen, dass sein dortiger vollstationäre Aufenthalt länger als sechs Monate bestehen werde, weshalb ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht bestünde. Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben, die beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 100 AS 2358/06 I geführt wird.

Am 27. März 2006 beantragte der Antragssteller, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 271,41 Euro monatlich zu gewähren, sowie ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er könne seinen Grundbedarf in Höhe von 345,- Euro mit seiner Tätigkeit im Außenkommando nicht decken. Aufgrund der Inhaftierung im offenen Vollzug stehe er dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung. In diesem Fall handele es sich nicht um eine vollstationäre Einrichtung. Von dem ihm zustehenden Regelsatz von 345,- Euro seien 26,41 Euro für Frühstück und 47,18 Euro für Mittagessen abzuziehen. Es bestehe danach ein Gesamtbedarf von 271,41 Euro. Eigene Einkünfte seien nicht anzurechnen, da von diesen das Überbrückungsgeld, der Freibetrag von 90,- Euro und Kosten für ein Sozialticket in Abzug zu bringen seien und somit keine anrechenbaren Einkünfte verbleiben würden.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 25. April 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, dass es vorliegend bereits an einem Anordnungsgrund fehle. Eine besondere Dringlichkeit sei angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller die unabdingbaren Leistungen wie Verpflegung und Unterkunft durch die JVA erhalte, nicht zu erkennen. Darüber hinaus beziehe der Antragsteller aus seiner Tätigkeit im Außenkommando Einkünfte, wovon ihm nach Abzug von Haftkosten und Überbrückungsgeld noch ein Betrag für das Sozialticket und ein kleinerer Betrag für persönliche Bedürfnisse verbleiben würden. Mit weiterem Beschluss vom 25. April 2006 hat es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückgewiesen und zur Begründung auf den Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Bezug genommen.

Gegen beide dem Antragsteller am 4. Mai 2006 zugestellten Beschlüsse richtet sich seine am 9. Mai 2006 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, das Sozialgericht habe die Anforderungen an die ...

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