Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Berufsunfähigkeitsrente. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Berücksichtigung der Rente wegen Berufsunfähigkeit als Einkommen gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 verstößt weder gegen Art 3 noch Art 14 GG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) zustehenden Leistungen zur Grundsicherung.
Der 1944 geborene Kläger bezieht seit dem 01. Mai 1997 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von 628,83 € (Stand: 01. April 2004). Daneben gewährte ihm die Bundesagentur für Arbeit bis März 1999 Arbeitslosengeld, im Folgenden - unterbrochen von anderen Sozialleistungen - Arbeitslosenhilfe.
Am 25. Oktober 2004 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 bewilligte der Beklagte ihm für die Zeit vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2005 Leistungen in Höhe von monatlich 104,49 €. Dabei stellte er einem Gesamtbedarf des Klägers in Höhe von 643,90 € (Regelleistung in Höhe von 345,00 € zzgl. Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 298,90 €) ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 539,41 € (Zahlbetrag der Rente in Höhe von 569,41 € abzgl. Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 €) gegenüber. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 14. Januar 2005, mit dem dieser sich gegen die Anrechnung seiner Rente wegen Berufsunfähigkeit wandte, wies er mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2005 zurück. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes dürften nur insoweit erbracht werden, als Hilfebedürftigkeit bestehe. Hilfebedürftigkeit bestehe nicht, wenn der Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus dem zu berücksichtigenden Einkommen gesichert werden könne. Der Kläger beziehe eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, die als Einkommen zu berücksichtigen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 17. März 2005 Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass § 11 Abs. 1 SGB II verfassungswidrig sei, weil mit der Anrechnung seiner Rente wegen Berufsunfähigkeit in den durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Kernbereich seines Eigentums eingegriffen werde. Es gehe hier um Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie um Leistungen, die aus einer jahrelangen Zahlung in die Arbeitslosenversicherung resultierten. Er habe etwa 35 Jahre lang Einzahlungen vorgenommen. Wenn er aber über einen Zeitraum von 35 Jahren in eine damals so konstruierte Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe, bedeute die Vorschrift des § 11 SGB II, die die Einzahlungen zu einem Sozialhilfeanspruch degradiere, einen Verlust seines erworbenen Rentenanspruchs, der verfassungsrechtlich nicht mehr akzeptabel sei.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 10. Juni 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es außer Frage stehe, dass die von dem Kläger bezogene Rente wegen Berufsunfähigkeit Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II darstelle. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Berücksichtigung der Berufsunfähigkeitsrente bestünden nicht. Insbesondere sei kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ersichtlich. Die Rentenanwartschaften des Klägers blieben unangetastet. Auch folge ein Grundrechtsverstoß durch die Einkommensanrechnung nicht daraus, dass der Kläger Leistungen aus einer jahrelangen Zahlung in die Arbeitslosenversicherung verlange. Vorliegend gehe es gerade nicht um eine Versicherungs-, sondern um eine Fürsorgeleistung.
Gegen dieses ihm am 22. Juni 2005 zugestellte Urteil, in dem das Sozialgericht Berlin die Berufung zugelassen hat, richtet sich die am 07. Juli 2005 eingelegte Berufung des Klägers. Er bleibe dabei, dass ein Verstoß gegen Art. 14 GG vorliege. Der Kernbereich der Vorschrift sei tangiert, da er über Jahre hinweg Sozialversicherungsbeiträge auch für die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe. Soweit das Bundessozialgericht den Eigentumsschutz für die Arbeitslosenhilfe teilweise verneint habe, gelte dies nur für die originäre Arbeitslosenhilfe, die ohne längere Beitragszeiten haben bezogen werden können. Seitdem die Arbeitslosenhilfe nur noch gewährt werde, wenn zuvor mindestens zwölf Monate lang Beiträge gezahlt wurden, habe sich die Qualität der Rechtsposition verändert und damit auch der für sie dann anzunehmende Eigentumsschutz. Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe hätten gleichermaßen nach längeren Einzahlungen den Schaden ausgeglichen, der durch den Eintritt des Risikofalls der Arbeitslosigkeit entstanden sei. Bei verfassungskonformer Auslegung sei die Berufsunfähigkeitsrente in vollem Umfange der Vorschrift...