Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für einen arbeitsuchenden Unionsbürger durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Das Aufenthaltsrecht eines italienischen Staatsangehörigen als Unionsbürger ergibt sich aus dem Zweck der Arbeitsuche. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt und aufenthaltsberechtigt der Unionsbürger, der sich zur Arbeitsuche in einem Mitgliedstaat aufhält.
2. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ist nicht europarechtswidrig. Die Vorschrift ist jedoch auf Staatsangehörige eines Vertragsstaates des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) nicht anzuwenden, weil Art. 1 EFA dies völkerrechtlich ausschließt.
3. Bei den Regelungen des SGB 2 zu Leistungen der Grundsicherung nach §§ 19 ff. SGB 2 handelt es sich um Regelungen der Fürsorgeleistungen. Bezüglich Fürsorgeleistungen der Sozialhilfe hat die Bundesrepublik Deutschland einen Vorbehalt hinsichtlich der Gleichbehandlungsverpflichtung bezogen auf die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nicht erklärt.
4. Damit sind einem hilfebedürftigen Unionsbürger, der sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhält, bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen Leistungen der Grundsicherung durch einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren.
Tenor
Auf die Beschwerden des Antragsgegners und des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2013 abgeändert und wie folgt gefasst:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 01. August 2013 bis zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. März 2013, längstens bis zum 30. November 2013, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 305,60 Euro nebst ab 01. September 2013 monatlich 240,00 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung zu leisten.
Im Übrigen werden der Antrag des Antragstellers abgelehnt und die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -. Er ist italienischer Staatsangehöriger und hält sich nach eigenen Angaben seit Februar 2013 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er bewohnt ein möbliertes Zimmer in einer Wohnung in Berlin, für welches er monatlich 204,00 Euro für Mietzins und Nebenkosten schuldet.
Der Antragsgegner lehnte einen Antrag auf Weiterzahlung von Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 16. Juli 2013 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Antragsgegner bislang nicht beschieden.
Der Antragsteller hat am 29. Juli 2013 beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten zu gewähren.
Mit Beschluss vom 15. August 2013 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 382,00 € für die Zeit vom 01. August 2013 bis 31. Januar 2014 - längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - zu gewähren.
Hiergegen richtet sich die am 20. August 2013 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners. Er ist der Auffassung, dass der Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2013 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Weiterhin beantragt der Antragsgegner, die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts auszusetzen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2013 abzuändern, und den Antragsgegner mit der einstweiligen Anordnung zur Leistung weiterer 240,00 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung zu verpflichten und die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist teilweise begründet.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antragsgegner einstweilen zur Leistungsgewährung verpflichtet. Der Antragsgegner war auch zu monatlichen Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu verpflichten. Hinsichtlich der Höhe der Leistungen zum Lebensunterhalt und der Wirkungsdauer der Verpflichtung...