Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Erhöhung der Altersvorsorgefreibeträge durch SozVersStabG. Anwendung vor Inkrafttreten bei Leistungsklagen. einstweiliger Rechtsschutz. fehlender Anordnungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Leistungsklagen ist § 12 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 2 in der Fassung des Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetzes vom 14.4.2010 auch auf Zeiträume vor In-Kraft-Treten des Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetzes anzuwenden.

2. Werden im Wege der einstweiligen Anordnung zusätzliche Leistungen nach dem SGB 2 in Höhe von 14 vH der Regelleistung geltend gemacht, so liegt regelmäßig kein Anordnungsgrund vor.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 1. April 2010 werden zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu sechs Zehnteln.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ohne Anordnung von Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin S R beigeordnet.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers zu 1. ist zwar nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sie ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu Recht verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu erbringen.

Es wird zunächst auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss nach § 142 Abs. 2 S. 3 SGG verwiesen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass entgegen den Vermutungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 25. März 2010 nunmehr das Gesetz zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme und zur Einführung eines Sonderprogramms mit Maßnahmen für Milchviehhalter sowie zur Änderung anderer Gesetze (Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz - SozVersStabG) vom 14. April 2010 (BGBl. I, 410 ff.) verabschiedet, ausgefertigt und am 17. April 2010 in Kraft getreten ist. Nach der neuen Fassung von § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ist der Versicherungsvertrag des Antragstellers nicht als Vermögen zu berücksichtigen, dies hat auch der Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung eingeräumt. Das Begehren des Antragstellers wird im Hauptsacheverfahren mit einer Leistungsklage in der Hauptsache zu verfolgen sein. Bei dieser ist grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 54 Rn. 34). Da das Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz keine Übergangsvorschriften vorsieht, wird das Gericht die geänderten höheren Freibeträge auch für den Zeitraum vor dem In-Kraft-Treten zu berücksichtigen haben. Im Übrigen stellte die Verwertung der Rentenversicherung so erst recht eine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II für den Antragsteller dar. Denn der Antragsteller wäre anderenfalls genötigt, einen erheblichen Verlust bei der Verwertung seiner Rentenversicherung in Kauf zu nehmen, um seinen ungedeckten Bedarf für zwei Monate in Höhe von etwa 1.100,- EUR abzusichern.

Ob die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers zu 2. zulässig ist, erscheint bereits zweifelhaft. Denn der Antragsteller hatte beim Sozialgericht beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm “Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch ab 12.02.2010 zu gewähren„. Beziffert hat er seinen Antrag nicht. Durch den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts vom 1. April 2010 ist der Antragsgegner verpflichtet worden, an den Antragsteller Leistungen zu erbringen. Eine Beschwer des Antragstellers durch diesen Beschluss ist so nicht ohne weiteres zu erkennen. Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass bereits das Sozialgericht über die vom Antragsteller erstmals ausdrücklich mit seiner Beschwerde geltend gemachten weiteren Leistungen der Unterkunft und Heizung und dem Zuschlag nach § 24 Abs. 1 SGB II entschieden hat, hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg. Es liegt nämlich insoweit kein Anordnungsgrund vor. Hinsichtlich des Zuschlags nach § 24 Abs. 1 SGB II ergibt sich dies bereits daraus, dass der Bedarf des Antragstellers durch die Regelleistung und Leistungen der Unterkunft und Heizung gedeckt wird und so keine wesentliche Nachteile im Sinne von § 86 b Abs. 2 S. 2 SGB II drohen. Aber auch hinsichtlich der geltend gemachten höheren Leistungen der Unterkunft und Heizung in Höhe von 510,- EUR abzüglich Warmwasserpauschale besteht kein Anordnungsgrund. Das Sozialgericht hat in dem Beschluss auf die Bedarfsberechnung in dem Bescheid vom 9. Dezember 2009 verwiesen; dort wurden eine Grundmiete von 367,- EUR, Nebenkosten in Höhe von 51,50 EUR und Heizkosten in Höhe von 44,71 EUR, mithin insgesamt 463,21 EUR, abzüglich einer Warmwasserpauschale von 6,79 EUR berücksichtigt. Dies ergibt eine Differenz von etwa ...

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