Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsanspruch eines bei einer Einrichtung nach § 311 SGB 5 angestellten Arztes. Umwandlung einer Anstellungsgenehmigung in eine Zulassung. Drittschutz. Einstweilige Anordnung. Vorwegnahme der Hauptsache. Interessenabwägung
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch eines angestellten Arztes auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung auf einen Umwandlungsantrag einer 311er-Einrichtung nach § 95 Abs 9b SGB 5.
Normenkette
SGB V § 95 Abs. 9b, § 311; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. August 2013 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 60.000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die bislang genehmigte Arztstelle des Antragstellers zum 01. Oktober 2013 in eine Vollzulassung des Antragstellers zur vertragsärztlichen Versorgung, Fachbereich Dermatologie, umzuwandeln.
1.) Der Antragsteller hat für sein Begehren weder einen Anordnungsgrund gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht noch plausibel machen können, dass die Abwägung der beiderseitigen Interessen der Beteiligten zu seinen Gunsten ausfallen muss.
2.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 11. Dezember 2009, L 7 KA 143/09 ER, vom 27. Januar 2010, L 7 KA 139/09 B ER, vom 18. März 2011, L 7 KA 39/11 B ER sowie vom 27. Januar 2012, L 7 KA 87/11 B ER jeweils zitiert nach juris) besteht in aller Regel kein eiliges Regelungsbedürfnis und damit kein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung, mit der einem Antragsteller ein vertragsärztlicher Status - z. B. eine Zulassung oder Ermächtigung - zugesprochen werden soll. Denn ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zielt darauf ab, vorläufige Regelungen herbeizuführen, während Statusentscheidungen stets endgültigen Charakter haben und damit die Hauptsache vorwegnehmen; zumindest die während der Dauer ihrer vorübergehenden Geltung erbrachten Leistungen können nachträglich nicht vollständig rückabgewickelt werden. Um eine solche Statusentscheidung - die Umwandlung einer Anstellungsgenehmigung in eine Zulassung - wird auch hier gestritten. Allerdings hat der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des BSG in diversen Entscheidungen, in denen um eine (rückwirkende) Statusentscheidung bzw. Genehmigung gestritten wurde, anklingen lassen, dass er eine nur vorläufig erteilte Genehmigung auch in diesen Angelegenheiten nicht für ausgeschlossen hält (so Urteile vom 31. Mai 2006, B 6 KA 7/05 R - für die Verlegung des Vertragsarztsitzes -, vom 5. November 2003, B 6 KA 11/03 R - für die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes -, vom 11. September 2002, B 6 KA 41/01 R, und Beschluss vom 28. September 2005, B 6 KA 19/05 B - jeweils für die Zulassung als Psychotherapeut -, außerdem in einer kostenrechtlichen Entscheidung: Urteil vom 17. Oktober 2007, B 6 KA 4/07 R; alle veröffentlicht in juris). Diese höchstrichterliche Rechtsprechung legt es nahe, als Ausnahme zur in der Rechtsprechung des Senats entwickelten o.g. Regel einen vertragsärztlichen Status im Wege einstweiligen Rechtsschutzes dann zuzuerkennen, wenn der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch völlig unzweifelhaft besteht (Fallkonstellation 1) oder die Interessenlage zu Gunsten eines Antragstellers so eindeutig ist, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache geboten erscheint (Fallkonstellation 2). Die Fallkonstellation 1 ist nur dann gegeben, wenn sich der vom Antragsteller zur Begründung seines Begehrens geltend gemachte Anordnungsanspruch sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht ohne aufwändige Prüfung feststellen lässt. Dies setzt auf der Tatsachenebene voraus, dass sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs zwischen den Beteiligten unstreitig sind oder sich aus dem Vortrag der Beteiligten oder den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ohne weiteres feststellen lassen, so dass an ihrem Vorliegen kein vernünftiger Zweifel bestehen kann. In rechtlicher Hinsicht ist zu verlangen, dass die entscheidungserheblichen Rechtsfragen geklärt sind oder die Einwände des Antragsgegners nach der bisherigen Rechtsprechung so wenig Substanz haben, dass sie ohne weiteres widerlegt werden können. Die Fallkonstellation 2 ist nur dann gegeben, wenn die Interessenlage jede andere Entscheidung als die zugunsten des Antragstellers als sachwidrig und damit willkürlich erscheinen ließe. Denn nur bei Vorliegen so gearteter Fallkonstellationen erscheint eine Berufung auf ein Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ...