Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. falsche Entscheidungsart. Rentenversicherungspflicht. Auffangwert. maßvolle Vervielfachung oder Verminderung. Anfechtungs- und Feststellungsantrag. keine Verdopplung gem § 39 GKG
Leitsatz (amtlich)
1. Streitwerte sind ausschließlich durch Beschluss festzusetzen.
2. Eine Streitwertfestsetzung ist - rechtswidrig - durch Urteil erfolgt, wenn sie mit den Worten "Urteil" und "Im Namen des Volkes" überschrieben und in den Urteilstenor aufgenommen worden ist, auch wenn das Gericht die Beteiligten am Ende seiner Entscheidung darüber belehrt, dass gegen die Streitwertfestsetzung die Beschwerde zulässig sei.
3. In einem Rechtsstreit über die Versicherungspflicht ist der Streitwert regelmäßig auf den Auffangwert von 5000,00 Euro festzusetzen.
4. Nur dann, wenn feststeht, dass dieser Auffangwert in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert des Rechtsstreits für den Kläger steht, kann der Streitwert durch die maßvolle Vervielfachung oder Verminderung des Auffangwertes erhöht oder vermindert werden.
5. Der Streit über die Rentenversicherungspflicht hat auch dann nur einen Streitgegenstand, wenn der klagende Rentenversicherungsträger eine Anfechtungs- und Feststellungsklage erhebt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2008 geändert. Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2008 ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass das Sozialgericht den Streitwert für den Rechtsstreit rechtsfehlerhaft durch sein Urteil vom 15. Januar 2008 festgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung ist mit den Worten “Urteil„ und “Im Namen des Volkes„ überschrieben und als Ziffer 3. des Urteilsausspruchs unmittelbar im Anschluss an die Entscheidung in der Sache und die Kostenentscheidung in den Urteilstenor aufgenommen worden. Durch die Bezifferung seiner Entscheidungsaussprüche hat das Sozialgericht deutlich hervorgehoben, dass es auch hinsichtlich der Streitwertfestsetzung “für Recht erkannt„ und durch Urteil entschieden hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Sozialgericht die Beteiligten in seiner - im Übrigen unvollständigen Rechtsmittelbelehrung darüber belehrt, dass gegen den die Streitwertfestsetzung betreffenden “Beschluss„ die Beschwerde zulässig sei; darin ist lediglich die gegen § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßende Behauptung enthalten, dass gegen einen Teil eines Urteils die Beschwerde das richtige Rechtsmittel sei. Maßgeblich für die Bestimmung der Art einer gerichtlichen Entscheidung ist nicht die Rechtsmittelbelehrung, sondern hierfür sind Rubrum und Entscheidungssatz heranzuziehen. Sie, nicht hingegen die erst am Ende der Entscheidung befindliche Rechtsmittelbelehrung, sollen klarstellen, welche Art der Entscheidung ein Gericht mit welchem Inhalt treffen wollte. Insbesondere das Rubrum hat die Funktion, der Entscheidung des Gerichts wie eine Überschrift oder ein Titel voranzugehen, damit die am Rechtsstreit Beteiligten nicht erst durch Auslegung ermitteln müssen, ob eine bestimmte Entscheidung Urteil oder Beschluss ist (LSG Berlin-Brandenburg, 9. Senat, Beschluss vom 12. November 2008, - L 9 KR 119/08 -).
Der Streitwert darf auch nicht durch Urteil festgesetzt werden. Nach § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest. Eine Festsetzung durch Urteil sieht das GKG nicht vor; sie ist deshalb auch dann ausgeschlossen, wenn Gerichte anderer Rechtswege unter offensichtlichem Verstoß gegen das Gesetz Streitwerte durch Urteil festsetzen sollten (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Urteile und Beschlüsse zur Festsetzung von Streitwerten können miteinander in einer Urkunde verbunden werden. Zur Klarstellung, wann das Gericht durch Urteil und wann durch Beschluss entscheiden will, müssen die Entscheidungen aber unterschiedliche Rubren und Entscheidungssätze haben. Daraus folgt, dass die Entscheidungen nacheinander abgesetzt werden müssen. Es könnte das Absetzen von beanstandungsfreien Urteilen und Beschlüssen erleichtern, wenn die Gerichte hierfür entsprechende Vordrucke zur Verfügung stellen. So könnte etwa auf einem Vordruck für die Rechtsmittelbelehrung für ein Urteil auf der Rückseite ein Vordruck für den Beschluss zur Festsetzung des Streitwertes einschließlich der Belehrung über das hierfür zulässige Rechtsmittel vorgesehen werden.
Hat das Sozialgericht den Streitwert durch Urteil festgesetzt, hätte die Beklagte dagegen gemäß § 143 SGG Berufung einlegen können. Trifft ein Gericht nämlich eine Entscheidung in einer Entscheidungsart, die das Gesetz nicht vorsieht, kann der davon Betroffene gegen die inkorrekte Entscheidung das Recht...