Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Streitwertes bei Streit über die Versicherungspflicht zur Rentenversicherung. Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung (L 9 B 159/08 KR
Leitsatz (redaktionell)
1. Maßgeblich für die Bestimmung der Art einer gerichtlichen Entscheidung ist nicht die Rechtsmittelbelehrung, sondern hierfür sind Rubrum und Entscheidungssatz heranzuziehen.
2. Der Streitwert darf nicht durch Urteil festgesetzt werden.
3. Für die Festsetzung des Streitwerts bei einem Streit über die Versicherungspflicht zur Rentenversicherung scheidet eine Orientierung an dem Erstattungsbetrag zu Unrecht erhobener Sozialversicherungsbeiträge aus.
4. Der Streitwert darf das Doppelte des Auffangwerts erst dann erreichen, wenn zwischen den Beteiligten Zeiträume von mehr als 15 Jahren streitig sind. Streiten die Beteiligten über mehr als 30 Jahre Versicherungspflicht, so ist ein Streitwert von 15.000 EUR angemessen.
Orientierungssatz
1. Maßgeblich für die Bestimmung einer gerichtlichen Entscheidung - Urteil oder Beschluss - ist nicht die Rechtsmittelbelehrung, sondern dafür sind Rubrum und Entscheidungsgründe heranzuziehen. Ergeht eine inkorrekte Entscheidung - z. B. Urteil statt Beschluss -, so steht dem Unterlegenen sowohl das Rechtsmittel zu, welches gegen die tatsächlich ergangene Entscheidung gegeben ist, als auch dasjenige, welches gegen die richtigerweise zu erlassende Entscheidung gegeben wäre.
2. Der Streitwert darf nicht durch Urteil, sondern nur durch Beschluss festgesetzt werden. (Ständige Rechtsprechung des Senats, Beschlüsse vom 12. November 2008, - L 9 KR 119/08 -; und vom 19. Dezember 2008, - L 9 B 159/08 KR)
3. Nur dann, wenn feststeht, dass der Auffangstreitwert des § 52 GKG von 5.000.- €. in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert für den Kläger steht, kann er durch die maßvolle Vervielfachung oder Verminderung des Auffangwertes vermindert oder erhöht werden.
4. Bei einem Streit über die Versicherungspflicht darf der Streitwert das Doppelte des Auffangstreitwertes erst dann erreichen, wenn zwischen den Beteiligten Zeiträume von mehr als 15 Jahren streitig sind. Streiten die Beteiligten über mehr als 30 Jahre Versicherungspflicht, so ist ein Streitwert von 15.000 €. angemessen.
Normenkette
GKG § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1; SGG § 197a
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. März 2009 geändert und der Streitwert auf 10.000 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Die gemäß §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Beklagte durfte nach dem Meistbegünstigungsprinzip Beschwerde gegen den durch das Urteil vom 4. März 2009 festgesetzten Streitwert erheben. Ergeht eine inkorrekte Entscheidung (z. B. Urteil statt Beschluss), steht dem Unterlegenen sowohl das Rechtsmittel zu, das gegen die tatsächlich ergangene Entscheidung gegeben ist, als auch das, das gegen die richtigerweise zu erlassende Entscheidung gegeben wäre. Hintergrund dieses sog. Meistbegünstigungsprinzips ist die Überlegung, dass kein Beteiligter durch eine inkorrekte Entscheidung des Gerichts einen Nachteil erleiden darf. Kein Beteiligter muss klüger sein als das Gericht (Leitherer a.a.O. vor § 143 Rd. 14; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Ergänzungslieferung 2007, vor § 124 Rn 51; jeweils m.w.N.).
Im vorliegenden Verfahren hat das Sozialgericht den Streitwert statt durch Beschluss durch Urteil festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung ist nämlich mit den Worten “Urteil„ und “Im Namen des Volkes„ überschrieben und in den Urteilstenor aufgenommen worden, weil das Sozialgericht auch hinsichtlich dieser Entscheidung “für Recht erkannt hat„. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Sozialgericht die Beteiligten in seiner Rechtsmittelbelehrung darüber belehrt, dass gegen den die Streitwertfestsetzung betreffenden “Beschluss„ die Beschwerde zulässig sei; darin ist lediglich die gegen § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßende Behauptung enthalten, dass gegen einen Teil eines Urteils die Beschwerde das richtige Rechtsmittel sei. Maßgeblich für die Bestimmung der Art einer gerichtlichen Entscheidung ist nicht die Rechtsmittelbelehrung, sondern hierfür sind Rubrum und Entscheidungssatz heranzuziehen. Sie, nicht hingegen die erst am Ende der Entscheidung befindliche Rechtsmittelbelehrung, sollen klarstellen, welche Art der Entscheidung ein Gericht mit welchem Inhalt treffen wollte. Insbesondere das Rubrum hat die Funktion, der Entscheidung des Gerichts wie eine Überschrift oder ein Titel voranzugehen, damit die am Rechtsstreit Beteiligten nicht erst durch Auslegung ermitteln müssen, ob eine bestimmte Entscheidung Urteil oder Beschluss ist.
Der Streitwert darf auch nicht durch Urteil festgesetzt werden. Nach § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest. Eine Fes...