Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts bei bewilligter Prozesskostenhilfe. Aufhebung der Beiordnung, Aufhebung der PKH
Orientierungssatz
1. Der im Wege der Bewilligung von PKH beigeordnete Rechtsanwalt kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von seiner Beiordnung entbunden werden. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tiefgreifend gestört ist.
2. Ist das Vertrauensverhältnis zu einem beigeordneten Anwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten der Partei zerstört worden und hat dies die Entpflichtung des Anwalts nach § 48 Abs. 2 BRAO verursacht, so besteht kein Anspruch auf die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts. Ein solches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich. Ein Anspruch auf erneute Beiordnung eines anderen Anwalts ist ausgeschlossen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2008 geändert und weiterhin Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin gewährt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2008 war insoweit aufzuheben, als durch diesen die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 14. Juli 2005 erfolgte Gewährung von Prozesskosthilfe für die Zukunft aufgehoben worden ist, denn einer der - abschließenden - Aufhebungsgründe nach § 124 der Zivilprozessordnung (ZPO) liegt nicht vor (vgl. zur abschließenden Regelung: Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Verlag C. H. Beck, 4. Aufl. 2005, Randnr. 830 m. w. N.).
Darüber hinaus war die Beschwerde jedoch zurückzuweisen, da dem Kläger ein Anspruch auf erneute Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts nicht zusteht.
Nach § 48 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann der gemäß § 121 ZPO einer Partei beigeordnete Rechtsanwalt beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tief greifend gestört ist (vgl. OLG Zweibrücken NJW 1988, 570; Jessnitzer, Bundesrechtsanwaltsordnung 5. Aufl. § 48 Randnr. 5 m. w. N.). Das ist hier der Fall. Der Kläger hat mit Schreiben vom 28. Juni 2008 das Mandatsverhältnis mit Rechtsanwalt M - das insgesamt drei Rechtsstreitigkeiten umfasste - gekündigt und ihm vorgeworfen, ihn nicht fachgerecht vertreten zu haben. Rechtsanwalt M hat daraufhin seinerseits mit Schriftsatz vom 03. Juli 2008 um seine Entpflichtung gebeten. Damit liegt ein wichtiger Grund für die beantragte Entpflichtung vor, weshalb das Sozialgericht mit Beschluss vom 30. Juli 2008 die Beiordnung von Rechtsanwalt M aufgehoben hat.
Ist einem Kläger im Wege der Prozesskostenhilfe ein Rechtsanwalt beigeordnet, kann er die Beiordnung eines anderen Anwalts verlangen, wenn dadurch entweder der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen oder wenn der Kläger, der die Kosten selber tragen müsste, vernünftigerweise einen anderen Anwalt beauftragen würde (vgl. u. a. OLG Celle FamRZ 2004; 1881; OLG Hamm OLGR 2004, 398; OLG Frankfurt FamRZ 2001, 237; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Verlag C. H. Beck, 4. Aufl. 2005, Randnrn. 538 und 680 m. w. N.). Wenn das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Anwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten der Partei zerstört worden ist und dies die Entpflichtung des Anwalts nach § 48 Abs. 2 BRAO verursacht hat, besteht kein Anspruch auf die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts; ein solches Verlangen ist dann vielmehr rechtsmissbräuchlich (vgl. BGH NJW-RR 1992, 189; OLG Köln FamRZ 1987, 1168; s. a. OLG Frankfurt MDR 1988, 570; OLG Celle MDR 1960, 846; OLG Braunschweig NJW 1962, 256).
Der Kläger hat das Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt M durch sachlich nicht gerechtfertigtes Verhalten zerstört. Der Kläger begründet die Mandatsentziehung mit unüberbrückbaren Differenzen. Zum einen habe ihn Herr M vor Ärzten, die nach Aktenlage beurteilten - wie Frau Dr. P im Rahmen des Rentenverfahrens L 22 R 1342/06 -, schützen müssen. Er sei des Weiteren seit Beginn des Mandatsverhältnisses nur zweimal zum Gespräch in die Kanzlei einbestellt worden, es sei kaum telefoniert worden, das Ganze sei schriftlich abgewickelt worden. Der Bevollmächtigte habe ihm gegenüber einen, einem über 60-jährigen Mann nicht zumutbaren Ton sowohl schriftlich als auch mündlich angeschlagen, ihn schriftlich gar “gerügt„.
Diese Vorwürfe sind sachlich nicht gerechtfertigt. So gibt es keinen “Schutz„ vor Gutachten oder Stellungnahmen nach Aktenlage, sie sind vielmehr im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens üblich. Auch ist nicht erkennbar, dass das Mandat im Außenverhältnis nicht sorgfältig und fachgerecht geführt worden wäre. Dass nur zweimal Gespräche in der Kanzlei stattgefunden haben, dürfte angesichts der langwierigen sozialgerichtlichen Verfahren, die ebenfalls weitgehend schr...