Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines Anwalts. Vertrauensverhältnis. Mutwilliges Verhalten des Klägers
Leitsatz (redaktionell)
Die Beiordnung eines anderen Anwalts im Wege der Prozesskostenhilfe scheidet aus, wenn das Vertrauensverhältnis zu dem bisher beigeordneten Anwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten des Klägers zerstört worden ist und dies zur Entpflichtung des bisherigen Anwalt geführt hat. Eine solche Konstellation liegt nicht ohne weiteres vor, wenn der Kläger ohne Kenntnis seines Anwalts direkt mit dem Gericht korrespondiert.
Normenkette
SGG § 73a; ZPO § 121; BRAO § 48 Abs. 2
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Januar 2013 geändert. Den Klägerinnen wird im Rahmen der ihnen bewilligten Prozesskostenhilfe ihr Prozessbevollmächtigter beigeordnet.
Gründe
Die Beschwerde, die sich nur gegen die Ablehnung der Beiordnung des Prozessbevollmächtigten richtet, ist begründet.
Ist einem Beteiligten im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) ein Rechtsanwalt beigeordnet, kann er die Beiordnung eines anderen Anwalts verlangen, wenn dadurch entweder der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen oder wenn der Kläger, der die Kosten selber tragen müsste, vernünftigerweise einen anderen Anwalt beauftragen würde (vgl ua LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2008 - L 3 B 619/08 U PKH - juris; OLG Celle FamRZ 2004 1881; OLG Hamm OLGR 2004, 398; OLG Frankfurt FamRZ 2001, 237; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Verlag C. H. Beck, 4. Aufl. 2005, Randnrn. 538 und 680 mwN). Wenn das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Anwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten des Beteiligten zerstört worden ist und dies die Entpflichtung des Anwalts verursacht hat, besteht kein Anspruch auf die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts; ein solches Verlangen ist dann vielmehr rechtsmissbräuchlich (vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 3; BGH NJW-RR 1992, 189; OLG Köln FamRZ 1987, 1168; OLG Frankfurt MDR 1988, 570; OLG Celle MDR 1960, 846; OLG Braunschweig NJW 1962, 256). Vorliegend war die Mandatsniederlegung und die Entpflichtung des bisher beigeordneten Rechtsanwalts W im Wesentlichen darin begründet, dass die Klägerin zu 1) selbst ohne Kenntnis des Anwalts mit dem Gericht korrespondierte, und zwar auch in dem Verfahren - S 181 SB 1651/09 -. Dieses Vorgehen war zwar geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen diesem Rechtsanwalt und den Klägerinnen zu zerstören und stellte einen wichtigen Grund iSv § 48 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung dar. Ein mutwilliges Verhalten kann den Klägerinnen aber insoweit nicht angelastet werden. Die Klägerin zu 1) hat in Bezug auf das Verfahren - S 181 SB 1651/09 - plausibel vorgetragen, dass zwischen ihr und Rechtsanwalt W - wie sich dessen Schreiben an die Klägerin zu 1) vom 13. April 2011 ebenfalls entnehmen lässt - Differenzen im Hinblick auf ein vom dortigen Beklagten abgegebenes Teilanerkenntnis bestanden. Die Klägerin war danach wohl geneigt gewesen, das Verfahren entsprechend einer Anregung des Gerichts für erledigt zu erklären, während Rechtsanwalt W die Fortsetzung des Rechtsstreits angedacht hatte. Der nunmehr beigeordnete Prozessbevollmächtigte hat dann das Verfahren - S 181 SB 1651/09 - für erledigt erklärt. Im vorliegenden Verfahren ist zu berücksichtigen, dass das Gericht sich mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 trotz vorheriger Beiordnung von Rechtsanwalt W unmittelbar an die Klägerin zu 1) gewandt, um Beantwortung - auch rechtlicher - Fragestellungen gebeten und hierauf sogar eine Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestützt hat. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Klägerin zu 1) sodann persönlich mit dem Gericht korrespondiert hat. Das Mandatsverhältnis zwischen den Klägerinnen und Rechtsanwalt W gestaltete sich zwar insgesamt schwierig, ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine mutwillige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses durch die Klägerin zu 1), die die erneute Beiordnung eines Rechtsanwalts als rechtsmissbräuchlich erschienen ließen, liegen indes nicht vor.
Eine Kostenerstattung findet im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht statt (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 4 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Fundstellen