Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländern. tschechischer Unionsbürger mit ungeklärtem Aufenthaltsrecht. Erwerbsfähigkeit. fehlende Arbeitsgenehmigung-EU gem § 284 SGB 3
Orientierungssatz
1. Das FreizügG/EU 2004 findet nach der durch Übergangsregelung zulässigen Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus Beitrittsstaaten (wie der Tschechischen Republik) nur Anwendung, wenn den ausländischen Staatsangehörigen eine Beschäftigung im Bundesgebiet durch die Bundesagentur für Arbeit genehmigt, dh eine Arbeitsgenehmigung-EU nach § 284 SGB 3 erteilt wurde.
2. Kann ein tschechischer Staatsangehöriger nicht erwerbstätig sein, weil ihm die notwendige Arbeitsgenehmigung-EU nicht erteilt wurde, so erfüllt er die Anspruchsvoraussetzung der Erwerbsfähigkeit gem § 8 Abs 2 SGB 2 nicht.
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. November 2007 werden zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Die 1983 geborene Antragstellerin ist tschechische Staatsangehörige. Laut polizeilicher Anmeldebestätigung vom 29. September 2007 bewohnt sie seit dem 01. September 2007 gemeinsam mit dem 1963 geborenen S A A B die sich aus dem Rubrum ergebende Wohnung. Ihr Lebensgefährte ist iranischer Staatsangehöriger und steht seit Dezember 2005 im Leistungsbezug des Antragsgegners. Mit am 01. Oktober 2007 beim Antragsgegner eingegangenem Schreiben zeigte er an, dass er mit der Antragstellerin eine Bedarfsgemeinschaft bilde, diese jedoch weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. In diesem Zusammenhang legte er neben der polizeilichen Anmeldebestätigung eine von der Antragstellerin unter dem 29. September 2007 unterzeichnete "Erklärung zur Ausstellung einer Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht für Staatsangehörige der zum 01.05.2004 aufgenommenen EU-Mitgliedsstaaten (ausgenommen Malta und Zypern)" des LABO - Ausländerbehörde - vor. In dieser Erklärung hatte die Antragstellerin angegeben, erstmals am 15. November 2006 in die Bundesrepublik eingereist zu sein und als Arbeitsuchende freizügigkeitsberechtigt zu sein. Auf dem Vordruck war am Ende "Freizügigkeitsrecht nicht glaubhaft gemacht (Prüfung durch LABO)" angekreuzt; durch wen, ist nicht erkennbar. Gegenüber dem Antragsgegner erklärte die Antragstellerin unter dem 30. September 2007 auf die Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt vor der Antragstellung bestritten habe: "Bin hin und wieder zurück nach Tschechien gereist, ansonsten wenn es ging hat mich finanziell für Essen unterstützt." Ein Guthaben von gut 1.500,00 € auf ihrem Girokonto rechtfertigte die schwangere Antragstellerin damit, dass es sich um Rücklagen für den anstehenden Krankenhausaufenthalt im Zusammenhang mit der Entbindung (errechneter Termin: 06. Januar 2008) handele.
Dass der Antragstellerin eine Bescheinigung gemäß § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) und/oder eine Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) erteilt worden wäre, ist nicht ersichtlich.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen für die Antragstellerin unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 SGB II ab. Ihr sei weder die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt noch könne sie durch die zuständige Behörde erlaubt werden.
Am 31. Oktober 2007 legte die inzwischen anwaltlich vertretene Antragstellerin hiergegen Widerspruch ein. Mit ihrem am selben Tage bei Gericht eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr mindestens ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung Leistungen nach dem SGB II mindestens in Höhe des absolut erforderlichen Minimums - hilfsweise als Darlehen - zu gewähren und ihr für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu gewähren. Zur Begründung hat sie jeweils geltend gemacht, dass sich ihr Aufenthaltsrecht nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Für sie als Unionsbürgerin gelte vielmehr der Leistungsausschluss nicht. Im Übrigen besuche sie seit dem 27. August 2007 die 10. Klasse einer Hauptschule (2. Bildungsweg). Es handele sich nicht um eine nach dem BAföG förderungsfähige Ausbildungsstätte.
Nachdem der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin mit Widerspruchsbescheid vom 09. November 2007 nunmehr unter Hinweis auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zurückgewiesen hatte, hat auch das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 15. November 2007 den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung und die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgel...