Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwert. Beschwerde gegen die Ablehnung einer Streitwertfestsetzung durch das Sozialgericht. Ersatzanspruch wegen rechtswidrig erbrachter Leistungen an einen Dritten nach § 34a SGB 2. kostenpflichtiges Verfahren. keine Kostenprivilegierung
Leitsatz (amtlich)
Kostenfreiheit nach § 183 S 1 SGG besteht nicht, wenn sich eine Leistungsempfängerin mit ihrer Klage gegen einen vom Jobcenter festgesetzten Ersatzanspruch nach § 34a SGB II wegen rechtswidrig erbrachter Leistungen an einen Dritten (hier: den mit der Klägerin in Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn) wendet.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Juli 2023 aufgehoben. Der Streitwert wird auf 13.025,70 € festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Festsetzung eines Streitwerts in dem von ihr vor dem Sozialgericht Potsdam geführten Klageverfahren.
Die Klägerin und ihr 1997 geborener Sohn bezogen vom Beklagten seit November 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Bescheid vom 4. Juni 2020 machte der Beklagte gegen die Klägerin einen Ersatzanspruch nach § 34a SGB II in Höhe von insgesamt 17.337,50 € geltend, den er im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auf 13.025,70 € reduzierte (Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2020). Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte aus, dass die Klägerin durch zumindest grob fahrlässiges Verhalten die rechtswidrige Erbringung von SGB II-Leistungen an ihren Sohn in der Zeit von Mai 2012 bis März 2018 herbeigeführt habe. Die Klägerin habe verschwiegen, dass neben ihr und ihrem Sohn noch eine weitere Person zur Bedarfsgemeinschaft gehört habe. Hilfebedürftigkeit nach§ 9 SGB II habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.
Hiergegen erhob die Klägerin im Januar 2021 Klage zum Sozialgericht Potsdam. In der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2023 schlossen die Beteiligten zur Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich, mit welchem der von der Klägerin zu zahlende Betrag auf 3.500,- € reduziert wurde. Außerdem verpflichtete sich der Beklagte in dem Vergleich, der (anwaltlich vertretenen) Klägerin 75 % der notwendigen Kosten zu erstatten.
Die Klägerin hat nach Abschluss des Vergleichs die Festsetzung des Streitwerts beantragt. Sie hat geltend gemacht, dass es sich um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehandelt habe.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Festsetzung eines Streitwerts mit Beschluss vom 6. Juli 2023 abgelehnt. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls zu dem Personenkreis gehöre, für den gemäß § 183 SGG Gerichtskostenfreiheit gelte. Zwar werde in der Kommentarliteratur ohne weitere inhaltliche Begründung angegeben, dass Ersatzpflichtige nach§ 34a SGB II nicht zum privilegierten Personenkreis nach § 183 SGG zählten. Eine solche pauschale Betrachtung sei jedoch nicht gerechtfertigt. Im vorliegenden besonderen Einzelfall sei der Ersatzanspruch nach§ 34a SGB II auf ein pflichtwidriges Verhalten der Klägerin als Leistungsbezieherin nach dem SGB II und Vertreterin einer Bedarfsgemeinschaft (§ 38 SGB II ) gestützt worden. Durch diese enge Verknüpfung der Pflichtverletzung, auf welche der Beklagte den Ersatzanspruch gestützt habe, mit dem eigenen Leistungsbezug der Klägerin und den daraus erwachsenden Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I) auch hinsichtlich des weiteren Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft (hier der Sohn der Klägerin), bleibe im vorliegenden Fall der für die Kostenprivilegierung notwendige Bezug zur Eigenschaft der Klägerin als Leistungsempfängerin im Sinne von § 183 SGG gewahrt.
Gegen den ihr am 14. Juli 2023 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 28. August 2023 Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, dass sie vom Beklagten nicht als Empfängerin von Leistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen worden sei, sondern als Ersatzpflichtige nach§ 34a SGB II wegen vorsätzlicher bzw. grob fahrlässiger Herbeiführung einer unrechtmäßigen Leistungserbringung an ihren Sohn. Als solche gehöre sie nicht zum privilegierten Personenkreis des§ 183 SGG . Dass sie selbst auch Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, ändere hieran nichts, da es in dem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht eben nicht um die von ihr bezogenen Leistungen nach dem SGB II gegangen sei, sondern um die Leistungen, die ihr Sohn bezogen habe.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Juli 2023 aufzuheben sowie den Streitwert auf 13.025,70 € festzusetzen.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
II.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Juli 2023 ist zulässig und begründet. Das S...