Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Nichtvorliegen eines anderen Aufenthaltsrechts. kein fortwirkender Arbeitnehmerstatus bei Eigenkündigung zur Sicherstellung der Kinderbetreuung. kein Aufenthaltsrecht aus Art 10 EUV 492/2011. kein Sozialhilfeanspruch. Ablehnung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Ein Unionsbürger ist gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen, wenn er sich nicht auf ein anderes Aufenthaltsrecht als das der Arbeitsuche berufen kann.
2. Auf ein Aufenthaltsrecht aufgrund fortwirkendem Arbeitnehmerstatus gem § 2 Abs 3 S 1 FreizügG/EU 2004 kann sich nicht berufen, wer sein Beschäftigungsverhältnis selbst gekündigt hat. Von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit kann auch dann nicht ausgegangen werden, wenn - wie hier - die geringfügige Beschäftigung wegen erforderlicher Kinderbetreuung aufgegeben wurde, nachdem die Betreuungsplätze für die Kinder in der Kindertagesstätte gekündigt wurden, aber die fehlende anderweitige Sicherstellung der Betreuung der Kinder, zB durch den getrennt lebenden Vater oder eine andere Einrichtung, nicht glaubhaft gemacht ist.
3. Offen bleibt, ob nach der Entscheidung des EuGH vom 15.9.2015 - C- 67/14 = SGb 2015, 638, überhaupt noch ein eigenes Aufenthaltsrecht allein aus Art 10 EUV 492/11 abgeleitet werden kann. Jedenfalls kann ein solches erst dann angenommen werden, wenn nachgewiesen ist, dass das Schulbesuchsrecht tatsächlich wahrgenommen bzw die Schule tatsächlich regelmäßig besucht wird.
4. Greift somit der Leistungsausschluss gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2, so können Unionsbürger zur Deckung ihres menschenwürdigen Existenzminimums auch keine Sozialhilfeleistungen nach § 23 SGB 12 erhalten. Dem steht der Leistungsausschluss gem § 21 SGB 12 entgegen. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes führt auch das Urteil des BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, von dem zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder der zugrunde gelegte Sachverhalt noch die Urteilsgründe bekannt sind, zu keiner anderen Entscheidung.
5. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung kommt daher die Gewährung von Prozesskostenhilfe gem § 73a SGG nicht in Betracht.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin 6. Januar 2016 wird - auch soweit dieser die Ablehnung von Prozesskostenhilfe betrifft - zurückgewiesen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die am 1989 geborene Antragstellerin zu 1), die am 2008 geborene Antragstellerin zu 2), der am 2009 geborene Antragsteller zu 3), der am 2011 geborene Antragsteller zu 4) und die am 2013 geborene Antragstellerin zu 5) sind rumänische Staatsangehörige und stehen bei dem Antragsgegner im Leistungsbezug (zuletzt vorläufige Bewilligung mit Bescheid vom 1. April 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14. August 2015, 2. November 2015, 5. November 2015, 12. November 2015 und 1. Dezember 2015 - Leistungszeitraum vom 4. Mai 2015 bis 30. November 2015). Die Antragstellerin zu 1) war zuletzt vom 10. Dezember 2014 bis 31. August 2015 geringfügig bei der Z R GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis kündigte sie nach eigenen Angaben wegen einer erforderlichen Kinderbetreuung infolge der Kündigung der Kita-Plätze selbst (Kündigungsbestätigung der Z R vom 28. Oktober 2015/Kündigung der Betreuungsverträge vom 18. Juni 2015). Die Antragstellerin zu 2) ist seit August 2014 in der G-Grundschule B zum Schulbesuch aufgenommen (Schulbescheinigungen vom 21. April 2015 und 8. Januar 2016). Die Antragsteller wohnen in der im Rubrum genannten Einrichtung. Von dem Vater der Antragsteller zu 2) bis 5), Herrn C G, lebt die Antragstellerin zu 1) nach eigenen Angaben getrennt.
Am 29. Oktober 2015 beantragte die Antragstellerin zu 1) für sich und die Antragsteller zu 2) bis 5) die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 1. Dezember 2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ab. Ein Aufenthaltsrecht bestehe nur noch allein zum Zwecke der Arbeitsuche. Der Arbeitnehmerstatus bleibe nur dann sechs Monate nach der Kündigung bestehen, wenn die Arbeitslosigkeit unfreiwillig eingetreten sei. Die Antragstellerin zu 1) habe die Beschäftigung selbst gekündigt, da sie die Kinder wegen der gekündigten Kitaplätze betreuen müsse. Dies könne als Grund nicht berücksichtigt werden, da auch der Kindesvater die Betreuung übernehmen könne.
Am 18. Dezember 2015 haben die Antragsteller dagegen Widerspruch und gleichzeitig bei dem Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der eins...